Bessere Qualität im OP durch Benchmarking

Eine vom Zürcher Chirurgen Pierre-Alain Clavien entwickelte Methode verbessert die Vergleichbarkeit der Qualität von chirurgischen Eingriffen.

, 17. August 2018 um 08:00
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Der Zürcher Chirurg Pierre-Alain Clavien hat ein System entwickelt, mit dem Kliniken und Chirurginnen und Chirurgen die Qualität ihrer Arbeit besser messen und überprüfen können. Der Direktor der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie des Zürcher Universitätspitals orientiert sich dabei an einem Prinzip aus der Wirtschaft, dem Benchmarking. Zur Messung der Qualität von medizinischen Eingriffen wurde dieses bisher aber nicht angewandt.
Angewendet hat Clavien sein neues Instrumentarium 2016 erstmals bei Leber-Lebendspende, wie die NZZ schreibt. Weil dieser Eingriff in der Regel bei jungen, gesunden Menschen gemacht wird, hat die Sicherheit hohes Gewicht. Clavien hat dazu 5000 Patientenakten aus vielen Kliniken ausgewertet. Dies unter anderem mit einer Klassifikationen, die Clavien zuvor selbst entwickelt hatte.
Pierre-Alain Clavien hat zwei vielbeachtete Skalen für die Messung der Operationsqualität entwickelt. Zum einen ist dies die 2004 publizierte «Klassifikation nach Clavien und Dindo». Keine andere chirurgische Publikation wurde so oft zitiert. Sie bewertet den Schweregrad der Komplikationen. Dies wie folgt:
Grad 1: Jede Abweichung vom normalen Verlauf, die keine Intervention erfordert. Erlaubt sind einfache Medikamente gegen Übelkeit, Schmerzen u. ä. sowie Physiotherapie.
Grad 2: Komplikation erfordert eine medikamentöse Therapie wie Antibiotika oder Bluttransfusionen.
Grad 3: Komplikation erfordert chirurgische, endoskopische oder radiologische Intervention – ohne (3a) oder mit Vollnarkose (3b).
Grad 4: Lebensbedrohliche Komplikation, die eine Behandlung auf der Intensivstation erfordert. Funktionsstörung in einem (4a) oder in mehreren Organen (4b).
Grad 5: Komplikation führt zum Tod des Patienten.
Eine Weiterentwicklung publizierte Clavien 2013. Der «Comprehensive Complication Index» (CCI) fasst alle postoperativen Komplikationen in einer einzigen kontinuierlichen Zahl von 0 (keine Komplikationen) bis 100 (Tod) zusammen.
Für die Festlegung des Benchmarks, sprich des Zielwerts, zog Clavien die Ergebnisse der 12 besten Kliniken heran. Von deren durchschnittlichem Medianwert zog Clavien 25 Prozent ab - und definierte diesen 75-Prozent-CCI als Benchmark. In der NZZ sagt er, die 75-Prozent-Hürde für den Benchmark sei willkürlich gewählt. Die Idee sei, dass sich der Benchmark an den Besten orientiere, aber nicht ausschliesslich absolute Spitze zulasse. Wenn eine Klinik oder ein Operateur ein Resultat erziele, dass zu 75 Prozent dem Wert der Topkliniken entspreche, sei dies sehr gut.
Bei den erwähnten Leber-Lebendspende ergaben sich in der Praxis folgende Benchmarks: Eine allgemeine Komplikationsrate von 31 Prozent. Für schwere Zwischenfälle lag der Benchmark bei 9 Prozent, beim CCI (siehe Box oben) bei einem Wert von 33. Ziel des Benchmarking ist es, dass Klinik, Abteilung oder Operateure, die den Zielwerte nicht erreichen, Verbesserungen anstreben.
«Nicht mehr Äpfel mit Birnen vergleichen» 
In der Praxis bereits zur Anwendungen kommen die Benchmarks bereits am Unispital Lausanne. Viszeralchirurg Nicolas Demartines vom CHUV sagt in der NZZ, mit Benchmarks lasse sich unter anderem die Behandlungsresultate zwischen den Kliniken besser vergleichen. Benchmarks sind aus seiner Sicht für eine objektive Diskussion über medizinische Qualität unabdingbar. «Damit werden endlich nicht mehr Äpfel mit Birnen verglichen» , sagt er. 
Seit März 2018 liegen auch zu weiteren chirurgischen Eingriffen Benchmarks vor. Dies speziell für Patienten mit niedrigen Operationsrisiken. Um zu definieren, wie sich die Benchmarks bei Patienten mit höheren Risiken veränderen, sind weitere Benchmark-Studien notwendig.
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