Berset Tarifkürzungen werden als «inakzeptabel»

Entscheide aus Bundesbern zur Pflegefinanzierung stossen auf harsche Kritik.

, 5. Juli 2019 um 07:33
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Die Vergütungen für die ambulante Pflege zuhause sinken - dies um 3,6 Prozent. Das hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) von Alain Berset entschieden, wie es in einer Mitteilung schreibt. Grund dafür sei das Primat der Kostenneutralität,  das bei der Neuordnung der Pflegefinanzierung im Jahr 2011 das Ziel gewesen sei. Man habe eine zusätzliche finanzielle Belastung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP)  vermeiden wollen. 
Eine Analyse der Kostenentwicklung habe nun aber gezeigt, dass die Ansätze in der ambulanten Pflege damals um 3,6 Prozent zu hoch angesetzt wurden, so das EDI. Das werde man nun korrigieren. Die auf Verordnungsebene erfolgten Anpassungen werden per Anfang 2020 in Kraft treten. Sprich, die Tarife sinken dann um die erwähnten 3,6 Prozent.

Keine kostendeckenden Leistungen?

Gestützt auf die Analyse werden die OKP-Beträge für Pflegeheime derweil um 6,7 Prozent erhöht. Gleichwohl: Die Neuerung fällt beim von den Kürzungen direktbetroffenen Spitexverbänden durch: «Uns fehlt jegliches Verständnis für diesen Entscheid, der dem Grundsatz ambulant vor stationär widerspricht. Kantone und Gemeinden werden die Lücke finanzieren müssen», schreibt der Privatspitexverband. Und Spitex Schweiz nennt den Entscheid «inakzeptabel».
Auch der Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen (SBK) spart nicht mit Kritik. Auch beim SBK sieht man die Bestrebungen hin zu ambulanten vor stationären Behandlungen verletzt. Und weiter: «Die ebenfalls beschlossene Erhöhung der Beiträge für die Pflegeheime darf nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass in der ambulanten Pflege ohne korrigierende Massnahmen kaum mehr eine Kostendeckung möglich ist. Deshalb sieht der SBK nun die Kantone in der Pflicht, ihre Beiträge für die Restfinanzierung um mindestens den gekürzten Betrag anzupassen.»

SBK hält an Initiative fest

Das EDI schreibt zudem, es habe «Massnahmen erarbeitet, um in der Pflege den administrativen Aufwand zu verringern und die Kompetenzen des Pflegepersonals zu stärken. Dieses kann künftig den Pflegebedarf für einen Teil der Leistungen ohne ärztliche Mitwirkung ermitteln. Die vorgenommenen Änderungen werten die Tätigkeit der Pflegefachpersonen auf und nehmen einen Teil der Forderungen der Initiative ‹Für eine starke Pflege› auf.»
Doch auch hier kommt seitens des SBK kein Applaus: «Die vom EDI versprochene grundsätzliche Besserstellung der Pflegefachpersonen wird mit der Revision nicht erreicht, im Gegenteil.» Nach wie vor sei ein ärztlicher Auftrag für die Pflegeleistungen vorausgesetzt und die Anpassung beschränke sich auf die Verordnungsstufe. Diese Veränderung erfülle die Forderungen der eidgenössischen Volksinitiative «Für eine starke Pflege» nicht. Gemäss der SBK-Geschäftsführerin Yvonne Ribi zeigt das Beispiel, wie wichtig die Pflegeinitiative sei. «Die Pflegefachpersonen haben es satt, Spielball der Politik zu sein», so Ribi.
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