Basler Studie zeigt: Dr. YouTube ist ein Quacksalber

Über ein Drittel der meistgesehenen YouTube-Videos zu Neurodermitis können potentiell Schaden anrichten. Das zeigt eine Studie von Dermatologen des Universitätsspitals Basel (USB).

, 8. Juli 2019 um 07:25
image
Auf der Videoplattform YouTube finden sich tausende Videos zum Thema Ekzeme, auch bekannt als Neurodermitis oder atopische Dermatitis. Eine Studie des Unispitals Basel (USB) zeigt nun: Selbstdiagnosen oder gar Therapieempfehlungen via Internet sind nicht verlässlich.
Für die Analyse haben die Dermatologen um Simon Müller vom USB die Qualität der Informationen in den 100 meistgesehenen Ekzem-bezogenen Videos auf YouTube untersucht. 
Ihr Fazit: 
  • Zwei Drittel der Videos sind von minderwertiger oder sehr minderwertiger wissenschaftlicher Qualität.
  • Knapp die Hälfte der Videos sind «irreführend» – und
  • über ein Drittel der meistgesehenen YouTube-Videos zu Neurodermitis können potentiell Schaden anrichten.

Knapp acht Stunden Videomaterial untersucht

Die Videos haben eine gesamthafte Laufzeit von 7 Stunden und 52 Minuten. Sie zählten zum Zeitpunkt der Erfassung eine kombinierte Zahl von 8,52 Millionen Views. Die Studie haben die Mediziner am britischen Dermatologenkongress vorgestellt.
Die wissenschaftliche Qualität der Videos wurde mit zwei etablierten Bewertungs-Tools evaluiert. Zusätzlich wurden die Videos in die Kategorien «nützlich», «irreführend» und «potentiell schädigend» eingestuft.

Viele Videos von Alternativbehandler

So wurden zum Beispiel Ekzem-Patienten nicht nur ermutigt, unnötige Diäten wie etwa die Vermeidung von Milchprodukten oder Gluten einzuhalten, wie das USB schreibt. Es wurden auch potentiell schädigende Hautbehandlungen und Lichttherapien für den Heimgebrauch empfohlen, ohne detaillierte Informationen über die Anwendungsdauer oder potentielle Gesundheitsrisiken.
Zudem wurden laut den Studienautoren konventionelle medizinische und ärztliche Ratschläge auf verschiedene Art und Weise diskreditiert und stattdessen «Wunderkuren» versprochen. Die Hälfte der Videos stammten denn auch von Vertreibern alternativer Behandlungsmethoden und nur knapp 30 Prozent von Institutionen aus dem Gesundheitsbereich oder Universitäten.

Was Ärzte raten

Darüber hinaus korrelierten die Bewertungen der Konsumenten nicht mit der wissenschaftlichen Einschätzung. Dies führe zum Schluss, dass die Informationssuchenden nicht in der Lage waren, guten von schlechtem wissenschaftlichen Inhalt zu unterscheiden.
«Wir lehnen Laien-Recherchen im Internet keineswegs ab, aber wir raten dringend davon ab, Entscheidungen nur aufgrund von Youtube-Videos zu treffen», sagt Simon Müller, Erstautor der Studie.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Hirnschlag erst spät behandelt – Spital nicht schuldig

Ein Genfer Spital hat bei einer Notfall-Patientin erst nach 12 Stunden einen Hirnschlag diagnostiziert. Trotzdem ist es keinen Schadenersatz schuldig.

image

Klinik Pyramide am See zügelt in die Privatklinik Bethanien

Die beiden Zürcher Kliniken von Swiss Medical Network spannen ab Oktober zusammen.

image

«Mit einem so hohen Verlust haben wir nicht gerechnet»

Das sagt Bernhard Pulver, Verwaltungsratspräsident der Insel Gruppe, zum 69-Millionen-Defizit im ersten Halbjahr.

image

Spital STS: Neuer CEO kommt vom Inselspital

David Roten tritt seine neue Funktion im Januar 2025 an.

image

Spital Affoltern: Arzt weg, Zentrum geschlossen

Das Schmerzzentrum des Spitals Affoltern muss schliessen - weil ihm der einzige Belegarzt, Michael Heesen, abhanden gekommen ist.

image

Das Spital Thusis soll leben – der Kanton soll zahlen

Die Trägergemeinden und die Leitung der Stiftung Gesundheit Mittelbünden wollen das bestehende Versorgungsangebot retten.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.