Apotheker verteidigen ihre Pfründe

Auch die Apotheker orten bei Generika ein Einsparpotential. Allerdings nicht, indem man die Preise senkt, sondern indem man die Menge erhöht. Nichts wissen wollen sie vom Referenzpreissystem und einer Senkung der Vertriebsmargen.

, 19. September 2018 um 13:00
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Generika sind in der Schweiz doppelt so teuer wie im Ausland. Mediinside berichtete. Deshalb will der Bundesrat für patentabgelaufene Medikamente ein Referenzpreissystem einführen. Davon will der Apothekerverband Pharmasuisse und ihm nahestehende Verbände nichts wissen. Sie warnen vor einer Gefährdung der Versorgungssicherheit.

Versorgungsengpässe 

Axel Müller ist Geschäftsführer von Intergenerika. An einer Medienkonferenz in Bern sagte er: «Ein weiterer Preisdruck könnte Hersteller aus dem Markt treiben.» Versorgungsengpässe wären die Folgen.
Dass die Generika in der Schweiz nicht günstiger seien, ist laut Axel Müller auf die aufwendige und kostspielige Zulassung bei Swissmedic sowie auf die kleinen Produktionsmengen im Vergleich zur EU zurückzuführen. Anstelle einer Preisfestsetzung brauche es eine höhere Marktdurchdringung für Generika.
Diese Meinung vertritt auch Gregor Pfister von der IQVIA Schweiz, einem Unternehmen, das unterem anderem für das BAG Daten erfasst und auswertet. Er sprach von einem «generikafähigen» Markt, der ein deutliches Einsparpotential aufweise.

Ist die Schweiz für Generika-Hersteller uninteressant?

7,8 Prozent vom gesamten Medikamentenabsatz entfallen auf  Originalmedikamente, für die es auch Generika gäbe. Und bei zusätzlichen 9,8 Prozent der abgegebenen Medikamente ist der Patentschutz ebenfalls abgelaufen, doch gebe es dafür keine Substitute. Gregor Pfister kennt kein anderes Land, wo für derart viele patentabgelaufener Medikamente keine Generika zu haben sind. Ein möglicher Hinweis, dass die Schweiz für Generikahersteller nicht wirklich interessant ist?

Fabian Vaucher: «Das Potenzial einer erhöhten Generikadurchdringung liegt bei mindestens 300 bis 400 Millionen Franken.»

«Das Potenzial einer erhöhten Generikadurchdringung liegt bei mindestens 300 bis 400 Millionen Franken», schätzt Fabian Vaucher, Präsident von Pharmasuisse. Gemäss Berechnungen des IQVIA liegt das theoretische Potenzial sogar bei 500 Millionen.
Weitere Massnahmen, um bei den Medikamenten die Kostensteigerung zu dämpfen, sieht Vaucher bei der Reduktion der Medikamentenverschwendung, der Verstärkung der Therapietreue und der Abgabe von Biosimilars.

Generika machen nur 1,3 Prozent aus

Generell hinterliess die Allianz rund um Pharmasuisse an der Medienkonferenz den Eindruck, der Sündenbock im Gesundheitswesen zu sein. «Medikamentenversorgende Akteure sind die politischen Prügelknaben», meinte etwa Sven Brandke. Er ist Geschäftsführer der Vereinigung der Ärzte mit Patientenapotheke (APA). Für ihn ist das Anreizargument bloss ein Scheinargument. Kein Arzt gebe ein Medikament wegen der Marge ab. Massgebend sei allein der Wirkstoff.

Bereits 190 Millionen eingepart

Gregor Pfister von der IQVIA zeigte auf, dass im Bereich der Arzneimittel in den vergangenen Jahren zahlreiche Massnahmen umgesetzt und damit mehrere hundert Millionen Franken eingespart wurden. «Statt der vom BAG geschätzten 60 Millionen Franken schlug die letzte Preissenkungsrunde mit mehr als 190 Millionen Franken zu Buche,» erklärte Pfister.
Das grösste Kostenwachstum ist laut Pfister bei Medikamenten der höchsten Preisklasse von über 2570 Franken zu beobachten. Der Umsatz dieser Kategorie sei in den 13 Jahren jährlich um knapp 140 Prozent gestiegen. Da aber die Vertriebsmargen in diesem Preissegment mit 240 Franken fix seien, hätten die Apotheken an diesem Wachstum nur wenig partizipiert.

Axel Müller: «Generika sind nicht für Prämienanstieg verantwortlich.»

Man spare am falschen Ort, war an der Medienkonferenz verschiedentlich zu hören. «Generika sind nicht für Prämienanstieg verantwortlich», erklärte Axel Müller gleich mehrmals. Wobei man hier anfügen darf, dass das eigentlich auch nie jemand so behauptete. Zudem weist Müller darauf hin, dass der Generika-Umsatz von 1,015 Milliarden Franken nur 1,3 Prozent der gesamten Gesundheitskosten ausmacht. 
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