Ärzte finden 24.50 Franken fürs Impfen «beschämend»

Gesundheitsdirektoren und Krankenkassen haben den Ärzten den Preis für die Covid-19- Impfung diktiert. Es ist bloss die Hälfte von dem, was die Ärzte eigentlich verlangten.

, 24. Februar 2021 um 10:08
image
  • ärzte
  • praxis
  • fmh
  • mfe haus- und kinderärzte
  • coronavirus
  • impfung
Detailliert und nach betriebswirtschaftlichen Kriterien haben die Schweizer Ärzteverbindung FMH zusammen mit den Haus- und Kinderärzten Schweiz (MFE) ausgerechnet, wie hoch eine kostendeckende Impfpauschale in den Arztpraxen ausfallen müsste.

«Affront gegenüber den Hausärztinnen und Hausärzten»

Doch am Ende durften die Ärzte nicht mitreden. Die kantonalen Gesundheitsdirektoren, der Bund und die Krankenkassen entschieden allein: Sie gestanden den Ärzten 24.50 Franken pro Impfung zu.
Einen «Affront gegenüber den Hausärztinnen und Hausärzten» nennen es die Haus- und Kinderärzte Schweiz (MFE). Sie finden den Entscheid «beschämend», die Impfung mit 24.50 Franken abzugelten. Auch die FMH spricht Klartext: «Die Pauschale ist in der Praxis in keiner Art und Weise kostendeckend», sagt Urs Stoffel - bei der FMH verantwortlich für ambulante Tarife - gegenüber Medinside.

Ärzte übergangen

Die genau aufgelisteten Berechnungen der FMH ergaben einen mehr als doppelt so hohen Preis: Nämlich 54 Franken pro Impfung. MFE und auch die Schweizer Ärzteverbindung FMH konnten zwar diese Kostenberechnungen vorlegen. Diese wurden aber offenbar nicht berücksichtigt. «Wir Hausärzte wurden von den Versicherern und Kantonen übergangen», kritisiert Philippe Luchsinger, Präsident der MFE.
«Ich bin überzeugt, dass viele Kolleginnen und Kollegen sich gut überlegen werden, ob und wie stark sie sich bei der Covid-19-Impfung engagieren können, wenn nicht einmal die Kosten gedeckt sind», sagt Philippe Luchsinger.

Absurd: Beratung ohne Impfung ist einträglicher

Und auch Urs Stoffel geht davon aus, dass nun viele Ärzte und Ärztinnen ihre Patienten und Patientinnen ins Impfzentrum schicken, statt selber zu impfen und draufzulegen. Stossend dabei ist: Wenn Ärzte ihre Patienten nur über die Impfung beraten und sie untersuchen, können sie das separat zu einem angemessenen Tarif verrechnen.
Sobald sie aber nach der Beratung auch die Impfung verabreichen – wie das eigentlich normal und vernünftig wäre - erhalten sie für den gesamten Aufwand nur noch die Pauschale von 24.50 Franken.

Kantone zahlen mehr - aber nur den Impfzentren

Philippe Luchsinger von den MFE betont: «Hausärztinnen und Hausärzte wollen mit der Impfung kein Geld verdienen – aber wir fordern eine faire Abgeltung, die unseren Aufwand und unsere Kosten deckt.»
Urs Stoffel sagt, dass auch für die Impfzentren die 14.50 Franken, die sie erhalten, nicht annähernd kostendeckend seien. Die restlichen zwei Drittel der Kosten würden von den Kantonen über Steuergelder querfinanziert.

Gibt es nun in jedem Kanton einen anderen Impftarif?

Er befürchtet, dass es solche unübersichtlichen Querfinanzierungen nun auch für die Impfungen in den Arztpraxen geben wird: «Die kantonalen Ärztegesellschaften werden nun zur Recht versuchen, bei ihren Gesundheitsdirektoren einen zusätzlichen Beitrag für die Impfungen zu erhalten.»
Das Resultat: In jedem Kanton werden die Ärzte anders entschädigt für die Impfung. Eine etwas frustrierende Situation für alle Ärzte und Ärztinnen, die schon seit Dezember impfen, ohne dass sie wussten, wie viel – oder wie wenig – sie dafür erhalten würden.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Warnung vor Depakine: Mögliche Risiken auch für Kinder behandelter Väter

Bei Kindern von Vätern, die mit dem Epilepsie-Präparat Valproat behandelt wurden, könnten neurologische Störungen auftreten. Auch Swissmedic reagiert.

image

Zwei Aargauer Ärzte wegen Nazi-Vergleich verurteilt

Zwei ehemalige Kaderärzte des Kantonsspitals Aarau wurden wegen übler Nachrede gegenüber Javier Fandino verurteilt.

image

Die Digitalisierung von klinischen Studien: Fortschritte in der Medizintechnik auf dem Weg zu papierlosen Verfahren

Klinische Studien stellen aufgrund ihrer langwierigen Durchführung, der anspruchsvollen Teilnehmerrekrutierung und der hohen Verfahrenskosten den kostenintensivsten Bestandteil des Produktentwicklungsprozesses* dar.

image

Kann Digitalisierung gegen den Hausärztemangel helfen?

Auf der Suche nach Lösungen für den Ärztemangel in der Grundversorgung gehen Leistungserbringer neue Wege und nehmen die Digitalisierung selber in die Hand, um den Zugang und die Qualität zu verbessern.

image

Falsche Ärztin wollte von Deutschland in die Schweiz

Eine mutmassliche Betrügerin hat monatelang als Ärztin in einer Klinik nahe an der Schweizer Grenze gearbeitet. Sie hatte gefälschte Papiere und wollte einen Job in der Schweiz erschleichen.

image

Corona: Die Stolpersteine in der Behördenkommunikation

Fehlende Erfahrung, personelle Engpässe und gesellschaftliche Herausforderungen. Eine Studie deckt die Schwachstellen in der Schweizer Corona-Informationspolitik auf.

Vom gleichen Autor

image

Die vier Möglichkeiten für eine neue Krankenversicherung

Die Krankenkassen erhöhen ihre Prämien nächstes Jahr vermutlich wieder massiv. Politiker schlagen deshalb neue Versicherungs-Modelle vor.

image

Experte widerspricht dem «Märchen» von den hohen Reserven

«Die Kassen schwimmen im Geld», schrieb der «K-Tipp». Versicherungsfachmann Felix Schneuwly ist anderer Meinung: Die Reserven seien gering.

image

Diese fünf Behandlungen sollten sich Spitäler sparen

Keine vorbeugenden Antibiotika und keine Schlafmittel-Rezepte für zuhause: Das sind zwei von fünf neuen Empfehlungen für Spital-Ärzte.