2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.
Liebe Spitäler: Die Lage darf nicht fatalistisch akzeptiert werden
Hier Krankenkassen, da Spitäler: Das heutige Verhältnis zwischen den Tarifvertrags-Parteien in einem Kernprozess des KVG ist unhaltbar. Und es gäbe auch Alternativen.
Gastbeitrag von Heinz Locher, 22. April 2024 um 09:20Wie kam es zur allgemeinen Finanznot in den Schweizer Spitälern? Ein wichtiger Aspekt dabei: Die Spitäler unterschreiben Tarifverträge, obwohl sie ihren gesetzlichen Auftrag mit den ausgehandelten Sätzen gar nicht erfüllen können. Das aber sollten sie nicht, das dürften sie nicht. Denn in diesem Fall müssten die Kantonsregierungen eingreifen. So sieht es das KVG vor.
Anne-Geneviève Bütikofer, die Direktorin des Spitalverbands Hplus, nannte in einem Beitrag auf Medinside mehrere Gründe, weshalb die Spitäler sich am Ende dennoch auf solche Verträge einlassen: Jede Alternative wäre erstens aufwändig und zweitens sehr unsicher. «Das führt zu einem langwierigen und noch aufwändigeren Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht», so die Verbandsdirektorin.
Heinz Locher ist Gesundheitsökonom und Berater in eigener Firma, insbesondere in den Bereichen Entwicklung und Regulierung des Gesundheitssystems, Strategiefindung sowie Allianzen und Fusionen.
Die von Anne-Geneviève Bütikofer geschilderte Konstellation ist typisch für konfrontative, strukturell asymmetrische Verhandlungsmodelle. Die Stellung der Spitäler entspricht darin derjenigen des Auswanderers, der in den letzten Tagen vor der Abfahrt noch sein Auto verkaufen muss, um seine Reise zu finanzieren (während potenzielle Käufer das wissen…).
Eine solche Konstellation zwischen den Vertragsparteien in einem der zentralen Kernprozesse des KVG ist unhaltbar und darf nicht fatalistisch akzeptiert werden. Mögliche Alternativen sind getaktete Fristenläufe für alle Partner und Phasen, gegebenenfalls der Entzug der aufschiebenden Wirkung von Rekursen.
Die Kantonsregierungen als Genehmigungs- oder Festsetzungsbehörden sollten nicht mit Hintergedanken auf ohnehin bevorstehende Gerichtsverfahren bloss einen «Arbeitstarif» festlegen (Arbeitstarif, weil er am wenigsten Arbeit erfordert?).
Die Debatte:
- Hplus-Direktorin Anne-Geneviève Bütikofer erklärt, weshalb Spitäler Tarifverträgen beitreten, obschon die Tarife nicht kostendeckend sind.
- Santésuisse kritisiert Investitionspolitik der Spitäler. Der Verband nimmt Stellung zum Vorwurf, die Krankenkassen seien Schuld an der Spitalmisere.
- Für KSGR-Chef Hugo Keune sind die Krankenkassen schuld an der Spitalmisere. Heinz Locher sagt: Die Kantone sind mitschuldig.
Schliesslich ist auch das Bundesverwaltungsgericht in das Regime der getakelten Fristenläufe einzubinden. Dafür braucht es sich nicht mehr als Rechnungsbüro für die Vertragsparteien missbrauchen zu lassen (bis es so weit ist, gebührt den Urteilsredigierenden unser uneingeschränktes Mitgefühl).
Wenigstens der Bundesrat bleibt zuversichtlich (haben wir etwas verpasst?). In einer Antwort auf eine Interpellation im Parlament schrieb die Landesregierung: «Der Bundesrat wird sich (…) weiterhin (sic!) dafür einsetzen, dass die Tarifpartner ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen. In diesem Sinn fordert er die Tarifpartner auf, regelmässig zu prüfen, ob die Tarife den aktuellen Gegebenheiten entsprechen und diese an einer effizienten Leistungserbringung ausrichten.»
Amen: So sei es.
Artikel teilen
Loading
Comment
Physioswiss kündigt Tarifverträge
Mit der Kündigung ändert sich für Physiotherapeuten vorerst nichts.
Auch das Spital Davos schrieb rot
Wie in vielen anderen Akutspitälern sank 2023 die Zahl der stationären Patienten leicht, während es bei den ambulanten Fällen einen Zuwachs gab.
Knall bei den Kassen: 13 Versicherer verlassen Santésuisse und Curafutura
Die grössten Krankenversicherer wollen mit einem neuen Verband eine gemeinsame Stimme schaffen.
Liquiditätsengpass beim Spital Davos
Weil es eilte, hat die Gemeinde Davos 1,5 Millionen Franken noch vor der Genehmigung an ihr Spital überwiesen.
Dem Spital Savognin fehlen die Patienten
Das Bündner Spital schreibt rote Zahlen, weil die Spitalbetten oft leer sind – während Personal anwesend ist.
Sparvorschlag des Tages: Die Triple-A-Franchise
Zwei Ökonomen der Uni Freiburg haben eine Idee, wie sich das Franchise-System buchstäblich umstürzen liesse. Zum Nutzen von Prämienzahlern und Patienten wie von Versicherern.