Letztes Jahr gab es in der Schweiz eine noch nie dagewesene Nachfrage nach Ärztinnen und Ärzte. Die Patientenzahlen stiegen doppelt so stark wie in den Jahren zuvor, bei den Haus- und Kinderärzten sogar viermal so stark. Das teilt die FMH, der Berufsverband der Schweizer Ärzte, aufgrund der jüngsten Abrechnungsdaten mit.
10 Prozent mehr bei HNO-Ärzten
Im Durchschnitt besuchten letztes Jahr 6,5 Prozent mehr Personen eine Arztpraxis als im Vorjahr. In einzelnen Fachbereichen waren es mehr: Bei den Augenerkrankungen waren es über 7 Prozent. Den mit Abstand höchsten Wert verzeichnen aber die Hals-Nasen-Ohren-Fachärzte, die eine Steigerung von über 10 Prozent hatten.
Die fünf Gründe
Die FMH gibt für diese eklatanten Zunahmen fünf Gründe an:
- Der Beratungsbedarf nimmt zu.
- Es gibt eine Veränderung des Gesundheitsbewussteins.
- Es gibt mehr Verunsicherung bei der Einschätzung von Krankheitssymptomen.
- Die Covid-19-Pandemie hat die Zunahme der Patientenzahlen verstärkt.
- Infekte haben nach der Aufhebung der Distanz-Empfehlungen zugenommen.
Höhere Gesundheitskosten
Weil viel mehr Personen ärztlichen Rat wollten, wirkt sich das auf die Gesundheitskosten aus. In Arztpraxen sinkt der Aufwand bei höheren Patientenzahlen nicht. Das heisst, dass zusätzliche Patienten auch zusätzliche Kosten verursachen, unabhängig davon, ob sie mit oder ohne eine Krankheitsdiagnose die Praxis verlassen.
«Ärzte sind nicht schuld am Zuwachs»
Die FMH betont: Die Nachfrage nach ärztlichem Rat können die Ärzte und Ärztinnen selbst kaum steuern. Vor allem die Zunahme von Erstkontakten, bei denen sich die Patienten selber anmelden, sei kaum zu beeinflussen, betont Urs Stoffel, Mitglied des FMH-Zentralvorstandes.
Die Ärzteschaft nehme bloss ihre medizinische Verantwortung wahr und behandle die Patienten, die Rat suchen, mit medizinischer Sorgfaltspflicht bei nahezu gleichbleibenden Kosten pro Patienten. Die FMH rechnet denn auch vor, dass die Kosten pro Patienten für ambulante Behandlungen in Arztpraxen letztes Jahr um 0,5 Prozent gesunken seien.
Schlechter Zeitpunkt für höhere Arztkosten
Die ausserordentlich hohe Zunahme der Patientenzahlen und damit der Arztkosten kommt für die FMH zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Sie plant nämlich, Ende dieses Jahr dem Bundesrat neue Arzttarife, den so genannten Tardoc, einzureichen.