Soll Komplementärmedizin freiwillig versichert werden?

Die Menschen sollen wählen dürfen, ob sie die Alternativmedizin abgedeckt haben wollen. Diese Idee wurde im Nationalrat knapp angenommen. Jetzt folgt der Ständerat.

, 11. Juni 2025 um 06:45
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Philippe Nantermod, FDP-Nationalrat. Screenshot: Parlament.
Der Walliser FDP-Nationalrat Philippe Nantermod, Advokat von Beruf, hält nichts von Komplementärmedizin. In der Ratsdebatte vom 11. September 2024 sagte er es so: «Heute übernimmt die obligatorische Krankenversicherung fünf Pseudomedizinen, sogenannte Fakemed. (...) Im Respekt vor der Glaubensfreiheit der Bürger muss jeder selbst entscheiden können, ob er zur Finanzierung solcher Praktiken beitragen möchte oder nicht – Praktiken, die von einigen als Heiliger Gral oder als Heilmittel angesehen werden, von anderen jedoch als Scharlatanerie.»
Mit seiner Motion will Nantermod das Krankenversicherungsgesetz (KVG) so anpassen, dass nur jene Prämienzahlenden für die fünf komplementärmedizinischen Behandlungen versichert sein sollen, die das ausdrücklich wünschen. Er will also gewissermassen eine Wahlfreiheit.
Der Nationalrat stimmte seiner Motion in der zurückliegenden Herbstsession zu – wenn auch nur knapp mit 94 zu 86 Stimmen.

Jetzt wird es schwierig

Für eine Umsetzung durch den Bundesrat braucht es jedoch die Zustimmung beider Kammern. Und nun steht die Beratung im Ständerat an, sie ist für diese Woche vorgesehen.
Und hier wird es schwierig für Nantermod: Die vorberatende Kommission des Ständerats lehnte seine Motion mit 6 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab.
Die Ständeratskommission weist darauf hin, dass Volk und Stände 2009 einen neuen Verfassungsartikel zur besseren Berücksichtigung der Komplementärmedizin angenommen hatten, und die Kosten für die Übernahme komplementärmedizinischer Leistungen relativ gering sind.
Im Jahr werden 34,5 Milliarden Franken über die Grundversicherung abgerechnet. Angeblich entfallen davon 18 Millionen auf die Komplementärmedizin, 0,05 Prozent.
Warum also die wiederkehrenden Angriffe auf die Komplementärmedizin?
Die Solothurner SP-Ständerätin Franziska Roth ist Präsidentin des Dachverbands Komplementärmedizin. In einem Interview mit Medinside sagte sie, die Vorstösse richteten sich nicht nur gegen komplementärmedizinische Leistungen, sondern sie zielten auf alle ärztlichen Behandlungen, bei denen die Wirksamkeit medizinischer Evidenz nicht ausreichend nachgewiesen werden könne.
Konsequenterweise müsste dann für sämtliche Leistungen, für die das Vertrauensprinzip gilt, eine Wahlfreiheit geschaffen werden. «Das ist ein Aufruf zur Abschaffung der solidarischen Grundversicherung zu Gunsten der Zweiklassenmedizin».
  • komplementärmedizin
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