Wer mit Kindern wohnt, hat weniger Covid-19-Risiken

Verblüffendes Ergebnis einer Gross-Studie mit über 300'000 Spitalangestellten.

, 24. September 2020 um 06:00
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Wer in einem Haushalt mit kleinen Kindern lebt, wird seltener mit dem «neuen» Coronavirus infiziert – und wenn er infiziert wird, ist der Verlauf wohl milder: Dies die Aussage, die eine grosse Kohortenstudie aus Schottland ergibt.
Ein Team der Universitäten von Edinburgh, Glasgow sowie des Imperial College London wertete dazu die Daten von rund 300'000 Healthcare Workers des NHS in Schottland aus. Konkret: Ins Visier genommen wurden die Verläufe von 241'000 Erwachsenen ohne Kinder sowie von 69'000 Personen, die mit einem, zwei oder drei Kindern zusammenwohnten. Und zwar waren damit Kinder im Alter von 0 bis 11 Jahren gemeint.
Rachael Wood, Emma C. Thomson, Robert Galbraith et al.: «Sharing a household with children and risk of COVID-19: a study of over 300,000 adults living in healthcare worker households in Scotland», Preprint medRxiv, 22. September 2020. — doi.org/10.1101/2020.09.21.20196428
Ein Ergebnis: Der Prozentsatz positiv getesteter Personen war tiefer, wenn die NHS-Gesundheitsprofis mit Kindern zusammenwohnten. Und: Das Risiko, wegen einer Sars-Cov-19-Infektion hospitalisiert zu werden, erschien geringer, wenn man mit einem Kind zusammenwohnte – und nochmals tiefer, wenn man mit zwei oder mehr Kindern im gleichen Haushalt lebte.
«Eine erhöhte Exposition der Haushalte gegenüber kleinen Kindern war mit einem verringerten Risiko verbunden, positiv auf SARS-CoV-2 getestet zu werden», heisst es in der Conclusion. «Und es erscheint auch mit einem abgeschwächten Risiko verbunden zu sein, so schwerwiegend an Covid-19 zu erkranken, dass eine Hospitalisation erforderlich wird.»

«Exposure» des Spitalpersonals

Die Epidemiologen, Statistiker, Mediziner und Public-Health-Professoren hinter der Arbeit stützten sich auf Daten von Gesundheits-Profis, weil diese Menschen im Frühjahr 2020 einerseits eine grosse «Exposure» gegenüber dem Virus hatten, während sie andererseits oft in einem Alter sind, in dem man kleinere Kinder hat. Zugleich rechneten die Forscher diverse Aspekte heraus, die ihrerseits den Zusammenhang zwischen Kindern und Virus-Lage verfälschen könnten – unter anderem Alter, Geschlecht, Comorbitäten, sozioökonomischer Status, Teilzeitarbeit (die beispielsweise das Risiko einer Infektion am Arbeitsplatz dämpfen würde).
Dass die Ansteckungsrate der Eltern von Kindern unter 11 Jahren tiefer war, wurde dabei offensichtlich – oder anders: Es war statistisch signifikant. Dass diese Erwachsenen, wenn sie denn infiziert waren, seltener wegen Covid-19-Beschwerden ins Spital mussten, war ebenfalls greifbar, wenn auch nicht signifikant.

Und die Erklärung?

Doch was wäre der Grund? Schaffen die Kinder eine Art Immunschutz für die Eltern? Womöglich indirekt. Für die Wissenschaftler deutet sich jedenfalls an, dass hier eine gemeinsame «pre-exposure to antigenically-similar infectious agents» ans Licht kommt.
Anders formuliert: Wer Krippen-, Kinder- oder Schulkinder zuhause hat, bekommt auch eher irgendwelche anderen Coronaviren ins Haus geschleppt – und entwickelt eine gewisse Immunität. Dieser Schutz wiederum könnte zugleich helfen, Sars-Cov-2 abzuwenden und abzuschwächen.
Solche Thesen gelte es nun weiterzuverfolgen, so das Fazit: «Unsere Ergebnisse bieten genügend Evidenz eines potenziell interessanten Schutz-Effekts gegen eine Covid-19-Infektion in Haushalten mit kleinen Kindern, um weitere derartige Studien in anderen Umfeldern zu rechtfertigen.»
Zum Thema: «Covid-19: Das Kreuz mit der Immunität». Eine spannende Debatte steht an, im Zentrum die Frage: Wurde der Schutz der Bevölkerung gegen das «neue» Coronavirus unterschätzt?
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