In der Theorie ist der Fall klar: Wer einen medizinischen Fehler begeht und dabei den Patienten schädigt, legt diesen Fehler offen dar – inklusive Erklärung, wie es dazu kam. Dass dies aber in der Praxis keine Selbstverständlichkeit ist, wissen wir nicht erst seit einigen spektakulären Fällen, wo plötzlich gegen Vertuschung gegen einzelne Ärzte oder ganze Kliniken ermittelt wurde.
Ohnehin: zwischen Ideal und illegal liegt die grosse Grauzone. Hier stellt sich die Frage, wie bereitwillig heutige Mediziner zur Offenlegung neigen. Und wo ihre Grenzen sind.
Ein kleiner Test, veröffentlicht im BMJ-System, hat diese Grauzone nun ausgelotet. Dabei wurde eine Auswahl von Grundversorgern mit zwei hypothetischen Fällen konfrontiert.
Erwähnt sei, dass es um Krebspatienten ging – die Auswahl fokussierte sich auf Ärzte, die in der Onkologie tätig waren. Und in beiden Szenarien gab es mehrere «Schuldige»: Das Problem entstand aus Kommunikations- und Koordinations-Problemen zwischen verschiedenen Beteiligten.
Das Ergebnis war dabei erstaunlich klar: Über 70 Prozent der befragten Ärzte sagten, sie würden nur begrenzt oder gar keine Informationen über den Fehler anbieten; sie würden nur begrenzt oder keine Erklärung stellen; und sie würden sich nur begrenzt oder gar nicht entschuldigen. Und dies in beiden Szenarien.
Gewiss, die Auswahl war begrenzt – befragt wurden 297 Ärzte von HMO-Systemen in den USA –, aber der Test deutet doch an, dass die Bereitschaft zur Offenlegung in der Praxis kleiner sein könnte als viele glauben.
Kernfrage: Wie ernsthaft ist der Fehler?
Allerdings: So einfach ist die Sache nicht. Denn je ernster der Fehler war, desto eher waren die Ärzte bereit, sich auch zu ihrer Schuld zu bekennen: Wenn die «perceived seriousness of the event» und die «perceived personal responsibility» hoch waren, dann war auch die Bereitschaft zur Offenlegung höher.
Man könnte also auch folgern: Die Ärzte sind in der Tat bereit, Verantwortung zu übernehmen. Aber das vor allem, wenn es wirklich ernst gilt.