Über die Hälfte der Assistenz- und Oberärzte missachtet die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 50 Wochenstunden. Das zeigt
eine Mitgliederbefragung des Verbandes der Assistenz- und Oberärzte (VSAO).
Hochgerechnet auf ein 100-Prozent-Pensum kommen die Ärzte im Schnitt auf fast 56 Wochenstunden. Dabei spiele es kaum eine Rolle, ob sie an einem Uni-, einem Kantons- oder einem Regionalspital beschäftigt seien, heisst es.
«Bilden die Realitäten sehr gut ab»
Besonders hoch ist die selbstdeklarierte Arbeitsbelastung von Assistenzärzten und Chirurgen. An der Online-Umfrage beteiligten sich Anfang Jahr rund 3’300 der 13’000 VSAO-Mitglieder.
Die Ergebnisse würden die Realitäten sehr gut abbilden, das zeigten auch zahlreiche Rückmeldungen aus dem Arbeitsalltag der Mitglieder, kommentiert VSAO-Sprecher Marcel Marti die Resultate in
der «Neuen Zürcher Zeitung».Keine Einsätze von mehr als sieben Tagen
Die Ärztegewerkschaft hat eine analoge Umfrage bereits im Jahr 2013 durchgeführt. Viel hat sich seither nicht geändert. Noch immer schreiben die Ärzte einen Teil der Arbeitszeit gar nicht erst auf. Das sind wöchentlich durchschnittlich 2,6 Stunden.
Eine kleine Verbesserung gab es: Eine Mehrheit der Befragten musste keine Einsätze von mehr als sieben Tagen am Stück leisten. Dennoch klagen der Umfrage zufolge zwei von drei Spitalärzten darüber, dass sie sich «regelmässig körperlich und emotional erschöpft fühlen».
Was Ärzte mit einem Pizzakurier verbindet
Der VSAO sieht sich durch die Umfrageresultate bestärkt in seinem Kampf für «faire Arbeitsbedingungen», wie es weiter heisst. Der Verband werde hierzu im Sommer konkrete Vorschläge lancieren.
Ferner erhoffe sich der Verband, dass sich die Situation an den Spitälern dank der Offensive von Bund und Kantonen in der Ärzteausbildung entspannen werde. Knappe Finanzen könnten keine Gesetzesverletzung rechtfertigen, wird Marti in der NZZ zitiert. «Der Pizzakurier darf auch nicht zu schnell fahren, nur damit er genügend Pizzas ausliefern kann, um zu überleben».
Folgen für die Patientensicherheit
Die hohe Belastung hat laut der Umfrage offenbar gravierende Konsequenzen. 2013 gaben noch 38 Prozent der befragten Ärzte an, mindestens einmal in den vergangenen zwei Jahren eine Situation erlebt zu haben, in der ein Patient wegen der Übermüdung des behandelnden Arztes gefährdet gewesen sei. Jetzt sind es schon 50 Prozent.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) schätzt aufgrund von internationalen Studien, dass jeder zwanzigste Patient in Schweizer Spitälern Opfer eines vermeidbaren Behandlungsfehlers wird, für rund 2’000 bis 3’000 Menschen enden solche Fälle sogar tödlich. Dies schreibt die NZZ. Wie gross der Anteil sei, der sich auf die Übermüdung zurückführen lasse, könne das BAG jedoch nicht beziffern.