Weshalb wurden die Krebsmittel in den letzten Jahren so atemberaubend teuer?
Eine Antwort, die man gelegentlich von Pharma-Managern inoffiziell hört, lautet: Weil sie heute auch wirklich helfen.
Das lässt auf starke Fortschritte in der Krebstherapie schliessen – und es wird bekanntlich durch die Meldungen über atemberaubende Silberstreifen am Horizont der Immuntherapie noch unterstrichen.
Aber wo stehen wir wirklich? Eine eher ernüchternde Bestandesaufnahme kommt jetzt aus Wien. Denn dort wurden nun die Erfolge jener Onkologika untersucht, welche in den letzten Jahren neu zugelassen wurden (beziehungsweise mit einer neuen Indikation in der Krebstherapie eingesetzt werden konnten).
Konkret: Das
Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment nahm 73 Mittel ins Visier, welche zwischen 2009 und 2015 in Österreich zugelassen worden waren. Dabei erarbeitete es aber zugleich einen internationalen Vergleich. Denn die Autoren des Boltzmann-Instituts werteten Einschätzungen aus mehreren europäischen und nordamerikanischen Ländern aus, inklusive Arbeiten von Organisationen wie der europäischen Onkologie-Gesellschaft ESMO, der amerikanischen ASCO, dem deutschen IQWiG oder der WHO.
Und da die Schweiz (wie Österreich) zu den
early adopters zählt und neue Wirkstoffe
recht liberal bewilligt, gehören die hier erfassten Medikamente weitestgehend auch zum therapeutischen Alltag in der Schweiz.
Ein Eindruck, der nun entsteht: Selbst viele Mittel, die erst in den letzten Jahren zugelassen wurden, sind faktisch unnütz. Konkret melden die Wiener Wissenschaftler:
- Bei insgesamt 73 Medikamenten in 114 Indikationen konnte in 26 Fällen nicht gesagt werden, dass sie das Leben verlängern oder den Fortschritt der Krankheit dämpfen.
- In 37 Fällen liess sich eine Lebensverlängerung um bis zu 3 Monate festmachen.
- Und in 14 Fällen lag die statistische Lebensverlängerung zwischen 3 und 5,8 Monaten.
«Not recommended»: Einheitlich negativ bewertetete Medikamente/Indikationen – Alle Bewertungen kommen zum gleichen Ergebnis. (Quelle/Grafik: LBI-HTA)
Eine Basis der Boltzmann-Studie bildet die Aufarbeitung, welche Medikamente in welchen Ländern durch Kassen, Sozialversicherungen oder im Rahmen des staatlichen Gesundheitssystems übernommen werden – ob in Nordamerika oder Europa beziehungsweise von Skandinavien bis Italien. Auch hier findet sich eine Qualitätsbeurteilung der Medikamente, und die fiel insgesamt mässig aus.
Konkret: 14 Medikamente in 15 Indikationen wurden durchwegs negativ beurteilt («not recommended»). Auf der anderen Seite wurden 16 Medikamente in 22 Indikationen durchwegs positiv beurteilt («recommended»). 27 weitere Medikamente in 34 Indikationen werden zwar nicht einheitlich, aber doch von den meisten Organisationen respektive Staaten, in denen das Medikament eingesetzt wird, negativ eingeschätzt. Zum Beispiel mit Beurteilungen wie «nur geringer Zusatznutzen».
Erwähnt sei, dass 11 der 14 durchwegs als «not recommended» eingestuften Medikamente in der Schweiz zugelassen und im therapeutischen Einsatz sind.