Kantonsspital wegen Unterlassung mit Klage konfrontiert

Nach dem Tod eines 49-jährigen Herzinfarkt-Patienten muss sich das Kantonsspital Baden (KSB) nun vor Gericht erklären.

, 12. November 2019 um 09:06
image
  • kantonsspital baden
  • spital
  • notfall
Eine Frau klagt gegen das Kantonsspital Baden (KSB). Sie wirft dem KSB Sorgfaltspflichtverletzung vor und will die Frage nach der Haftung vor Gericht klären lassen. Ein Vergleich zwischen den beiden Parteien konnte nicht erzielt werden, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet.
Der Grund der Klage: Ihr 49-jähriger Mann hatte nach einer ergebnislosen Untersuchung im KSB einen Herzinfarkt erlitten – an der Bushaltestelle vor dem Spital. Jede Hilfe kam zu spät. Er fiel ins Koma, wurde zum Pflegefall und ist zwei Jahre später an den Folgen des Herzinfarktes gestorben. Der tragische Fall ereignete sich vor knapp sechs Jahren.

Herzinfarkt-Tod des Bruders erwähnt?

Der Anwalt des Kantonsspitals verteidigte vor Gericht das Verhalten der Ärztin in der angrenzenden Notfallpraxis des Spitals. Der Mann habe ihr gegenüber seine Beschwerden und Krankheitsgeschichte nicht vollumfänglich geschildert. Der Verstorbene habe über Schmerzen in der Bauchgegend geklagt, nicht mehr und nicht weniger.
Die Klägerin und ihr Anwalt widersprechen: Ihr Mann habe sich bereits zweimal wegen Herzbeschwerden im KSB untersuchen lassen. Für sie sei es völlig unmöglich, dass ihr Mann auf die Frage, ob es in der Familie schon Herz-Fälle gab, mit «Nein» geantwortet habe. Es sei zudem ausgeschlossen, dass er gegenüber der Ärztin nicht von seiner Herzinfarkt-Angst sprach, war doch sein Bruder in seinen Armen an einem Herzinfarkt gestorben.

Gutachten: Dokumentation war «ungenügend»

Ein Gutachten stellte fest: Gemäss Protokoll der Eintritts-Triage seien nicht alle notwendigen Parameter erfasst, respektive dokumentiert worden. Der Gutachter, ein Chefarzt, erachtet weiter auch die Dokumentation der anschliessenden Konsultation der Notfallpraxis-Ärztin als ungenügend. Insbesondere würden detaillierte Informationen zur Anamnese fehlen, berichtet die «Aargauer Zeitung» weiter.
Die Witwe, die mit ihrem verstorbenen Ehemann zwei Kinder im schulpflichtigen Alter hat, verlangt in der Teilklage nun 100'000 Franken – für einen kleinen Teil der ihr entstandenen Kosten. Wenn das Bezirksgericht Baden die Haftung bejaht, wäre damit die Grundlage geschaffen, dass die Versicherung auch die restlichen Kosten übernimmt. Das Urteil wird in ein paar Wochen erwartet.

Ergänzung vom 15. Januar 2020
Inzwischen hat das Bezirksgericht Baden unter der Leitung von Gerichtspräsident Daniel Peyer die Haftung des KSB vollumfänglich bejaht, wie das «Badener Tagblatt» meldet. Gestützt auf eine Expertise eines unabhängigen Gutachters bestätigt das Bezirksgericht eine Sorgfaltspflichtverletzung. Gesamthaft sei der Arztbericht der behandelnden Ärztin – insbesondere in Bezug auf die Anamnese – sowohl inhaltlich wie quantitativ eindeutig ungenügend. Schon die Triage sei nicht korrekt ausgeführt worden. Das Gericht erlegt dem KSB die Gerichtskosten in Höhen von knapp 30'000 Franken sowie eine Parteientschädigung in Höhe von nochmals knapp 30'000 Franken auf. Das KSB werde nun entscheiden, ob es das Urteil weiter zieht oder eine aussergerichtliche Lösung angestrebt wird.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Notfall: Die Bagatellgebühr rückt näher

Wer den Spital-Notfall aufsucht, erhält einen Zuschlag von 50 Franken auf den Selbstbehalt: So will es die Gesundheitskommission des Nationalrats.

image

Innovative Kinderradiologie am Kantonsspital Baden

Das Kantonsspital Baden setzt in seinem Neubau neue Massstäbe in der patientenfreundlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Die Kinderradiologie bietet ein breites Spektrum an diagnostischen und therapeutischen Leistungen und arbeitet eng mit anderen Fachbereichen zusammen.

image

Wie eine Notaufnahme die Verweildauer halbierte

Ein Jahr nach dem Start ihres Reorganisationsprojekts hat die pädiatrische Notaufnahme des Spital Nyon ihre Betreuungszeiten massiv verkürzt. Wie ging man vor?

image

Co-Creation im Gesundheitswesen

Zippsafe revolutioniert mit seinen Produkten das Gesundheitswesen. Ein platzsparendes Spindsystem optimiert Personalumkleiden, während ZippBag und ZippScan den Umgang mit Patienteneigentum verbessern. Erfahren Sie, wie die Produkte durch enge Zusammenarbeit mit Schweizer Spitälern entwickelt wurden.

image

Von Alt zu Neu: Das KSB nahm seinen Neubau in Betrieb

Nach vier Tagen intensiver Logistik ist der Umzug des Kantonsspitals Baden fast abgeschlossen. Über 200 Patienten sowie Tausende Geräte und Einrichtungsgegenstände in wurden transportiert.

image

Effiziente Desinfektion: Plastikfrei & nachhaltig

Die Bacillol® 30 Sensitive Green Tissues bieten nachhaltige und effektive Desinfektion. Sie bestehen aus 100% plastikfreien Cellulosetücher und reduzieren CO₂-Emissionen um 25% pro Packung. Mit hoher Reissfestigkeit, grosser Reichweite und Hautverträglichkeit sind sie optimal für Hygiene und Umwelt.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.