Der tragische Fall einer jungen Krebspatientin wird derzeit in Grossbritannien eifrig diskutiert und inzwischen auch anderen Ländern aufgegriffen.
Es geht um Bronte Doyne, die im Alter von 19 Jahren an einer seltenen Leberkrebs-Form starb.
Nachdem Onkologen an der Universitätsklinik von Nottingham bei der Patientin ein fibrolamelläres hepatozelluläres Karzinom diagnostiziert hatten, wurde eine Leberresektion vorgenommen. Laut späterer Einschätzung der Ärzte konnte sie als geheilt gelten. Als Doyne und ihre Mutter in den Monaten danach mehrmals auf Symptome hinwiesen und die Befürchtung äusserten, der Krebs sei keineswegs besiegt, wurde der Familie beschieden, nicht länger im Internet nach Symptomen zu suchen: «Stop Googling your symptoms».
«Ich habe die Nase voll davon, mich auf sie zu verlassen»
Fatalerweise erwiesen sich die Einschätzungen der Patientin als korrekt. Die Familie Doyne hatte sich nicht nur auf allgemeinen Gesundheits-Portalen informiert, sondern auch auf renommierten amerikanischen Fach-Sites.
Bronte Doyne starb im im März 2013 an den Folgen der Krebserkrankung, 16 Monate, nachdem die Ärzte sie als geheilt bezeichnet hatten. Der unglückliche Ablauf – und die Passivität der Mediziner – wurde jetzt erst von der Mutter bekannt gemacht.
Sie zeichnete das Bild eines grossen Grabens zwischen ihrer Tochter und den Ärzten in Nottingham. Kurz vor ihrem Tod schrieb die junge Frau auf
Twitter: «Ich kann Euch gar nicht sagen, wie es sich anfühlt, einem Onkologen sagen zu müssen, dass sie alle falsch liegen. Ich musste es tun. Ich habe die Nase voll davon, mich auf sie zu verlassen.»
«Noch stärker auf die Internet-Welt einlassen»
Die kritische Darstellung der Mutter wurde insofern bestätigt, als die Verwaltung der Uniklinik in Nottingham
gegenüber BBC eingestand, «nicht mit genügender Aufmerksamkeit» zugehört zu haben.
Und: Man werde sich noch stärker auf die Internet-Welt einlassen müssen.
Tatsächlich stehen in der Debatte im angelsächsischen Raum nun zwei Themen in Zentrum: erstens die Probleme, die aus dem steigenden Wissen und Halbwissen erwachsen, das sich die Patienten im Internet aneignen. Und zweitens die Frage, ob die Mediziner noch allzu sehr veralteten Vorstellungen des Arzt-Patienten-Gefälles verhaftet sind.
Der Arzt als Interpret dessen, was alle wissen
Clare Gerada, einst Präsidentin des Standesverbandes Royal College of General Practitioners, schilderte selber einen Fall, wo der Patient bei den Profis für die Einsicht weibeln musste, dass er nicht an einer oberflächlichen Grippe erkrankt war – sondern an Dengue-Fieber.
Die Tatsache, dass medizinische Informationen heute so einfach erhältlich sind, habe schlicht auch die Rolle der Fachleute verändert, meinte ein hochrangiger Vertreter des Gesundheitsministeriums in London: Der Arzt ist nicht mehr Besitzer des Wissens, sondern nur noch dessen Interpret.
Eine wichtige Grundeinsicht formulierte wohl ein Kommentator des «Guardian»: Die heutige Medizin benötige dringend feste Regeln und klare Vorstellungen, wie auf die Patienten gehört werden soll, so der Kommentar. Und alle Beteiligten müssten sich bewusst machen, was dies für die Kommunikation zwischen beiden Seiten bedeutet.
Denn letztlich sei der engagierte Patient eine gewaltige Chance – die «Blockbuster-Medizin des Jahrhunderts».
Lorraine Doyne, die Mutter von Bronte, gegenüber der «Daily Mail»