Die Spitzengehälter im Gesundheitswesen sind bescheiden – sehr bescheiden

Wie kommt es eigentlich, dass die Chefs unserer wichtigsten Spitäler klar weniger verdienen als die Chefs von Krankenkassen? Und überhaupt als die Chefs von vergleichbaren Institutionen?

, 18. Juli 2016 um 05:47
image
  • spital
  • lohn
Wir haben einen Blick auf die Saläre geworfen, die sich in gewissen Spitzenpositionen des Gesundheitsbranche erzielen lassen, etwa am Unispital Zürich, in der Insel Gruppe oder im Kantonsspital Aarau. Und eines springt dabei wirklich ins Auge: Es herrscht eine fast schon verblüffende Bescheidenheit in dieser Branche.
Ein paar Beispiele gefällig? Die Mitglieder der Direktion des Universitätsspitals Zürich erhielten letztes Jahr im Schnitt 276'000 Franken, Bonus-Komponenten inklusive. Beim Luzerner Kantonsspital lag die Pro-Kopf-Summe in der Direktion bei 241'000 Franken, und im Kantonsspital Aarau bei 186'500 Franken.

Hier Insel Gruppe, da SRG

Natürlich gibt es in diesen Direktionen wiederum höhere individuelle Top-Gehälter. Beim Kantonsspital Aarau, um ein Beispiel zu nennen, entfielen letztes Jahr 445'000 Franken auf Direktor Robert Rhiner. Kommt hinzu, dass einzelne Spitalleitungs-Mitglieder etwa durch ärztliche Honorare oder Professuren deutlich höhere Gesamteinkommen erzielen können. 
Dennoch: Selbst wenn man berücksichtigt, dass es sich hier ja um öffentliche Institutionen handelt, wo Mässigung erwartet wird – selbst dann darf man der Gesundheitsbranche Bescheidenheit attestieren.
Greifbar wird dies, wenn man einen Universitätsspital-Konzern mit 10'000 Beschäftigten und 1,5 Milliarden Franken Betriebsertrag vergleicht mit – beispielsweise – der ähnlich öffentlichen SRG, welche 6'100 Personen beschäftigt und auf 1,6 Milliarden Franken Umsatz kommt. Also: Holger Baumann, der Chef der Insel-Gruppe, erzielte letztes Jahr 508'000 Franken. Derweil kam SRG-Chef Roger de Weck auf 557'434 Franken.

1 «Key Risk Taker» = 5 Spitaldirektoren

So richtig drastisch wird das Bild denn auch beim Querblick in die eigentliche Privatwirtschaft. Geradezu ironisch wirkt etwa der Vergleich mit den Grossbanken. So beschäftigte die UBS letztes Jahr alleine 656 so genannte «Key Risk Takers»; das waren Manager, die mindestens 1 Million in bar sowie nochmals über 1 Million in Form von Boni erhielten. Man muss gar nicht erst die Verantwortung eines Medizinischen Leiters mit der eines Vermögensverwalter-Risk-Takers detailliert vergleichen: Das Verhältnis mutet auch so äusserst schräg an.
Nun sind solche Unterschiede ja längst bekannt. Aber die Geschäftsberichte 2015 machen doch auch greifbar, dass die andernorts gern diskutierte Lohnkluft sich innerhalb der Gesundheitsbranche selber auch weiten könnte.

Pharmakonzerne, Krankenkassen

Ganz oben finden sich dann die Spitzen der globalen Pharmakonzerne, wo die CEOs von Roche und Novartis letztes Jahr je gut 11 Millionen verdienten und wo ein durchschnittliches Konzernleitungs-Mitglied 5,8 Millionen (Roche) oder 4,8 Millionen Franken (Novartis) holen konnte.
Auf einer nächsten Stufe folgen aber auch die Krankenkassen: Hier entfalten die privatwirtschaftlichen Regeln offenbar stärker ihre Wirkung. So lagen Kassen-Spitzenverdiener wie Helsana-Chef Daniel Schmutz mit 940'000 Franken, CSS-Chef Georg Portmann (780'000 Franken) und Sanitas-Chef Otto Bitterli (590'000 Franken) doch eine oder zwei Geldstufen weiter oben (mehr dazu hier).
Bei den öffentlichen Spitäler spielt es eben eine bremsende Rolle, dass sich die Saläre an gewissen kantonalen Standards orientieren – so dass rasch Widerstand aufkommt, falls sie allzu sehr davon abweichen. So geschehen 2013 im Kanton Solothurn, als bekannt wurde, dass der SoH-Direktor mehr verdient als ein Regierungsrat: Prompt setzte es parlamentarische Interpellationen aus mehreren Parteien.
Welche Grenzen die kantonalen Verhältnisse bei öffentlichen Häusern setzen, lässt der Blick auf die grösste Schweizer Privatklinikgruppe erahnen. Und immerhin spielt Hirslanden in derselben Grössenordnung wie die Insel Gruppe oder die SRG: 1,6 Milliarden Franken Umsatz, 9'200 Mitarbeiter. So dass auch hier ein Vergleich reizvoll wird.

Das ist ja mehr als ein Bundesrat!

Zwar weist Mediclinic, das Mutterhaus, im neuen Jahresbericht nicht mehr genau aus, was an der Spitze von Hirslanden zu holen ist. Dies nachdem es vor fünf Jahren zu gewissen politischen Grummeleien gekommen war, als die «Sonntagszeitung» im Mediclinic-Jahresbericht das Gehalt von Hirslanden-Konzernchef Ole Wiesinger entdeckt hatte; es erreichte damals 1,027 Millionen Franken, was einzelnen Politikern sauer aufstiess und typähnliche Vergleiche provozierte wie in Solothurn: Das ist ja mehr als bei Gesundheitsminister Alain Berset! 
Die jüngsten Geschäftsbericht von Mediclinic präsentierten «Remuneration Scenarios» besagen nun, dass ein Mitglied des Executive Comittee – wie Hirslanden-CEO Wiesinger – ein Fixum von 343'000 Pfund erhält sowie bei mittlerer Zielerreichung mitsamt Boni 906'000 Pfund erwarten darf; macht nach jetzigem Stand also knapp 1,2 Millionen Franken.

Saläre an der Spitze, ausgewählte Institutionen

Universitätsspital Basel

Die Bruttolohnsumme aller Spitalleitungsmitglieder erreichte im letzten Jahr 2,37 Millionen Franken, dies bei 10 Personen. Nicht enthalten sind jeweils Privathonorare der ärztlichen Direktionsmitglieder und Universitäts-Entschädigungen für die Lehrtätigkeit.
Die Gesamthöhe der Entschädigungen an den siebenköpfigen Verwaltungsrat belief sich auf 367'000 Franken. Davon erhielt der Präsident 120'000 Franken plus Sitzungsgelder.

Universitätsspital Zürich

Die 9 Mitglieder der Spitaldirektion ausbezahlte Bruttolohn lag bei 2,305 Millionen Franken. Hinzu kamen 180'000 Franken an variablen Bezügen. Das ergibt pro Direktionsmitglied durchschnittlich 276'000 Franken. 
Die 6 einfachen Mitglieder des Spitalrats erhielten letztes Jahr insgesamt 195'000 Franken, macht 32'500 Franken pro Kopf. Der Präsident bekam 60'000 Franken, zudem eine Spesenpauschale.

Insel Gruppe Bern

Die Vergütung der 9-köpfigen Geschäftsleitung betrug 2015 insgesamt 3,011 Millionen Franken. Dies macht arithmetisch 334'000 Franken pro Kopf. Auf den Geschäftsleitungsvorsitzenden entfielen 500'810 Franken.
Der Verwaltungsrat mit 9 Mitgliedern erhielt gesamthaft 729'000 Franken. Auf seinen Präsidenten Joseph Rohrer entfielen dabei 187'000 Franken.

Luzerner Kantonsspital LUKS

Die 13-köpfige Geschäftsleitung erhielt letztes Jahr zusammengerechnet 3,14 Millionen Franken brutto. Daraus ergibt sich ein Durchschnittswert von 241'000 Franken. Auch hier sind gewisse Honorare zum Beispiel aus privatärztlicher Tätigkeit nicht dabei.
Die 11 Mitglieder des Spitalrates des LUKS erhielten 385'000 Franken an Entschädigungen, mithin 35'000 Franken pro Kopf.

Kantonsspital Aarau

Die 12-köpfige Geschäftsleitung erhielt insgesamt 2,24 Millionen Franken, macht im Schnitt 186'000 Franken. Dabei entfielen 445'000 Franken auf den CEO.
Der Verwaltungsrat des KSA hat 8 Mitglieder, die im letzten Geschäftsjahr insgesamt 334'900 Franken erhielten. Davon gingen 75'000 Franken an den Präsidenten.

Swiss Medical Network (ehemals Genolier)

En detail sind die Honorare innerhalb des Aevis-Victoria-Konzerns (zu dem SMN gehört) nicht greifbar. Bekannt gegeben wird, dass das höchste Salär letztes Jahr an Antoine Hubert ging, den Verwaltungsrats-Delegierten: Er erhielt 504'000 Franken. Verwaltungsratspräsident Christian Wenger erhielt 100'000 Franken, davon 25'000 Franken in Form von gesperrten Aktien.

  • Die grossen Spitäler der lateinischen Schweiz – CHUV, HUG, Hôpital neuchâtelois, Ente Ospedaliero Cantonale – weisen ihre Direktions- und Verwaltungsrats-Vergütungen nicht gesondert aus.

Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Kantonsspital Aarau holt Chef Neuroradiologie aus St. Gallen

Pasquale Mordasini übernimmt die vakante Chefarzt-Position im November.

image

Viktor 2023: «Ich freue mich auf die Bekanntgabe der Gewinner»

Hirslanden-CEO Daniel Liedtke ist in der Jury des Viktor Awards, zugleich unterstützt die Spitalgruppe die Aktion bereits zum zweiten Mal. Weshalb, sagt er im Interview.

image

Bern: 100 Millionen, um die Spitäler zu stützen

Die Kantonsregierung plant einen Finanzschirm, damit Listenspitäler im Notfall gerettet werden können.

image

LUKS Luzern: Neuer Leiter des Radiologie-Zentrums

Alexander von Hessling ist seit 2015 am Institut für Radiologie und Nuklearmedizin des LUKS und hat die Sektion für Neuroradiologie aufgebaut.

image
Die Schlagzeile des Monats

«Es kann ja nicht sein, dass die Kernkompetenz der Jungen die Administration ist»

In unserer Video-Kolumne befragt François Muller jeweils Persönlichkeiten aus der Branche zu aktuellen Fragen. Diesmal: Michele Genoni, Präsident der FMCH.

image

Onkologie: Von diesen fünf Behandlungen wird abgeraten

Dazu gehört der Einsatz der PET für die Früherkennung von Tumorrezidiven und die prophylaktische Gabe von Medikamenten gegen Übelkeit.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.