Covid-Immunität: Uni Zürich findet weiteres Puzzleteil

Immunreaktionen gegen harmlose Coronaviren verleihen einen gewissen Schutz vor Sars-CoV-2. Diese Kreuzreaktionen sind ein wichtiges Puzzleteil für eine umfassende Coronaviren-Immunität. Das sagen UZH-Forscher.

, 22. November 2021 um 15:04
image
«Covid: Frühere Erkältungen könnten Immunantwort beeinflussen» titelte Medinside heute Morgen und bezog sich auf einen Artikel in der Fachzeitschrift Nature. Nun informiert die Universität Zürich (UZH) über ihr neustes Studienergebnis: Nicht nur Infektionen mit dem neuen Coronavirus oder Impfungen dagegen führen zu starken Antikörperreaktionen gegen Sars-CoV-2. Immunreaktionen gegen andere menschliche Coronaviren, die meist nur zu harmlosen Erkältungen führen, verleihen ebenfalls einen gewissen Schutz. Alexandra Trkola, Leiterin des Instituts für Medizinische Virologie der UZH, konkretisiert: «Personen, die ausgeprägte Immunantworten gegen menschliche Coronaviren haben, sind bis zu einem gewissen Grad auch vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 geschützt.» Solche Kreuzreaktionen seien ein wichtiges Puzzleteil für eine umfassende Coronaviren-Immunität.

Das Testverfahren

Die Forschenden analysierten laut der Medienmitteilung mit einem eigens entwickelten Testverfahren einerseits die Menge an unterschiedlichen Antikörpern gegen die vier anderen gegenwärtig zirkulierenden menschlichen Coronaviren im Blutserum von 825 Spendern aus der Zeit vor dem Auftreten von Sars-CoV-2. 
Andererseits untersuchten sie 389 Proben von Spendern, die sich mit Sars-CoV-2 infiziert hatten. Kombiniert mit computergestützten Modellierungen ermöglicht diese Analyse präzise Vorhersagen, wie gut die Antikörper an eindringende Viren binden und sie neutralisieren.

Kreuzreaktionen können schwere Verläufe verhindern

Die Forschenden konnten zeigen, dass Personen, die sich mit Sars-CoV-2 infiziert hatten, geringere Mengen an Antikörpern gegen die Erkältungs-Coronaviren hatten. Zudem mussten Sars-CoV-2-Infizierte mit hohen Antikörperwerten gegen die harmlosen Coronaviren weniger häufig hospitalisiert werden. 
«Laut unseren Ergebnissen führt eine stärkere Antikörperreaktion gegen humane Coronaviren auch zu höheren Antikörpermengen gegen Sars-CoV-2. Eine Person, die gegen harmlose Coronaviren eine Immunität hat, ist somit auch besser vor schweren Verläufen bei einer Sars-CoV-2-Infektionen geschützt», sagt Trkola. Bezeichnet wird dies als Kreuzreaktion. Diese tritt auch bei der Immunreaktion von T-Zellen auf, dem zweiten Pfeiler des menschlichen Immunsystems.
Einen kompletten Schutz gegen Sars-CoV-2 besitzen Menschen nur zu Beginn nach einer durchgemachten Infektion oder nach einer wirksamen Impfung. Denn dann seien die Antikörpermengen gegen das Virus noch sehr hoch, heisst es weiter.
Sinkt mit der Zeit ihre Konzentration, wird eine Infektion zwar nicht mehr verhindert, aber die Gedächtniszellen reaktivieren das Abwehrsystem – sowohl die Antikörperproduktion wie auch die T-Zellabwehr – rasch wieder. 
«Spezifisch gegen Sars-CoV-2 gerichtete Immunreaktionen, die von Gedächtniszellen ausgehen, sind natürlich weit wirksamer als kreuzreaktive. Aber obwohl der Schutz nicht komplett ist, verkürzen Kreuzreaktionen den Krankheitsverlauf und mildern dessen Schwere. Und genau das erreichen wir ja auch mit den Impfungen, nur viel, viel effizienter», betont Trkola.

Auf dem Weg zu einem umfassenden Schutz 

Offen ist, ob die Kreuzreaktivität auch umgekehrt funktioniert. Ob also eine Immunität gegen Sars-CoV-2 – beispielsweise durch eine Impfung – auch vor anderen menschlichen Coronaviren schützt. «Sollte eine Sars-CoV-2-Immunität auch einen gewissen Infektionsschutz vor anderen Coronaviren bieten, würden wir einem umfassenden Schutz gegen Coronaviren, also auch neu auftretenden Varianten, einen grossen Schritt näherkommen», so die Virologin. Für diese Annahme spricht zudem, dass eine kreuzreaktive Schutzwirkung eben nicht nur auf Antikörpern basiert, sondern sehr wahrscheinlich auch auf T-Zellen.
Die Studie wurde am 18. November in der Fachzeitschrift Nature publiziert. 
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Keine zusätzlichen Medizin-Studienplätze trotz Ärztemangel

Trotz anhaltendem Ärztemangel erhöht der Zürcher Regierungsrat die Studienplätze für Medizin nicht.

image

Spezalisierte Reha: Bedarf soll deutlich steigen

Die Studie prognostiziert, dass die Nachfrage in den nächsten 25 Jahren um gut 40 Prozent wachsen wird – zumal in der geriatrischen, muskuloskelettalen und internistisch-onkologischen Rehabilitation.

image

Zu kurze Pausen zwischen Schichten kosten Gesundheit – und Geld

Eine Studie beim Spitalpersonal in Norwegen belegt: Weniger als elf Stunden Ruhe führen zu mehr Krankheitsausfällen – und treiben die Kosten in die Höhe.

image

Nicole Ritz neu im Vorstand der ESPID

Nicole Ritz, Chefärztin Pädiatrie am Luks, wurde in den Vorstands der European Society for Paediatric Infectious Diseases (ESPID) gewählt.

image

Bakterienfang: Zürcher Molekül erkennt E. coli schnell und gezielt

Ein Team der Universität Zürich hat ein neues Molekül entwickelt, das Bakterien wie E. coli rasch identifizieren und einfangen kann – ein vielversprechender Ansatz für die Diagnostik.

image

Spitäler 2025 und 2026: Bessere Margen – aber grosse Tarif-Fragezeichen

Die Finanzchefs der Schweizer Spitäler erwarten fürs Erste eine etwas bessere Rentabilität. Zugleich sorgt das neue Tarifsystem für Unsicherheit. Die Erwartungen reichen von Mehreinnahmen bis zu spürbaren Einbussen.

Vom gleichen Autor

image

Kinderspital verschärft seinen Ton in Sachen Rad-WM

Das Kinderspital ist grundsätzlich verhandlungsbereit. Gibt es keine Änderungen will der Stiftungsratspräsident den Rekurs weiterziehen. Damit droht der Rad-WM das Aus.

image

Das WEF rechnet mit Umwälzungen in einem Viertel aller Jobs

Innerhalb von fünf Jahren sollen 69 Millionen neue Jobs in den Bereichen Gesundheit, Medien oder Bildung entstehen – aber 83 Millionen sollen verschwinden.

image

Das Kantonsspital Obwalden soll eine Tochter der Luks Gruppe werden

Das Kantonsspital Obwalden und die Luks Gruppe streben einen Spitalverbund an. Mit einer Absichtserklärung wurden die Rahmenbedingungen für eine künftige Verbundlösung geschaffen.