Covid-19: Asthmaspray tatsächlich «Game Changer»?

Deutsche und österreichische Lungenärzte warnen vor dem Hype um inhalierbares Budesonid. Die Studiendaten könnten höchstens als hypothesengenerierend angesehen werden.

, 30. April 2021 um 11:44
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Vergangene Woche berichtete Medinside von einer britischen Budesonid- Studie: Zwei tägliche Dosen von Asthmaspray mit Budesonid hätten die Dauer einer milden Infektion mit Sars-CoV-2 um einen Tag verkürzt; schwere Covid-Fälle konnten um 90 Prozent gesenkt werden. Aber: Da es sich um eine kleine, randomisierte, nicht verblindete Untersuchung handelte, dürfe die Behandlung derzeit nicht als evidenzbasiert angesehen werden, denn dazu bräuchte es eine gross angelegte Doppelblindstudie, lautet der Schluss des Medinside-Artikels, der sich auf einen Bericht im «Deutschen Ärzteblatt» bezieht.
Die Ergebnisse der britischen Studie werden nun von deutschen und österreichischen Pneumologen infrage gestellt, wie die deutsche «Ärztezeitung» gestern berichtete. Die Rationale der Studie sei zwar nachvollziehbar, die Daten könnten aber allenfalls als hypothesengenerierend angesehen werden. Es sei viel zu früh, das Präparat [Budesonid] als «Game Changer» zu sehen. Zu diesem Schluss kamen Vertreter sowohl der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin als auch der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie an einer Pressekonferenz.

Ein «erheblicher Placebo-Effekt» – weshalb? 

Aus der Publikation gehe nicht klar hervor, ob die Patienten wegen befürchteter Covid-19-Symptome oder aus anderen Gründen, etwa wegen eines entgleisten Diabetes mellitus, ärztliche Hilfe gesucht hätten, steht in der deutschen «Ärztezeitung».
Die Studienpunkte seien eher subjektiv gewesen (z.B. Bedarf an Antipyretika). Objektive Studienparameter – wie die Sauerstoffsättigung oder die Sars-CoV-2-Viruslast – seien zwischen den [zwei] Studiengruppen nicht verschieden gewesen.
Aufgrund des offenen Studiendesigns müsse von einem erheblichen Placebo-Effekt ausgegangen werden, zitiert die deutsche «Ärztezeitung» Marco Idzko, den Leiter der klinischen Lungenmedizin an der Universitätsklinik in Wien. Gemäss Idzko sei es in Österreich kurz nach Bekanntwerden der Daten offenbar zu Lieferengpässen inhalativer Glukokortikoide gekommen. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen in Österreich warnte, dies könne die Versorgung von Asthmapatienten gefährden und verhängte vorsorglich ein Exportverbot. 
Die deutschen und österreichischen Lungenärzte schlagen denn auch Alarm, dass der Hype um Asthmasprays mit Budesonid für Patienten, die diese Medikamente tatsächlich benötigen, zur Bedrohung werden könne. 
Lesen Sie auch: «Asthmaspray soll schwere Covid-Verläufe verhindern»
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