Augenärzte raten von Routine-Star-Operationen ab

Weniger Operationen des Grauen Stars und keine Antibiotika bei Bindehautentzündungen: Das sind zwei von fünf neuen Ratschlägen in der Augenmedizin.

, 3. November 2021 um 09:57
«Diese Behandlungen Ihrer Augen sollten Sie vermeiden oder gut abwägen»: Mit diesem Hinweis will die Schweizerische Ophthalmologische Gesellschaft (SOG) Patienten ermutigen, nicht jede vorgeschlagene Behandlung unhinterfragt zu akzeptieren.

Die Top-5-Liste für Augenärzte

Folgende fünf Eingriffe am Auge bieten für viele Patienten laut diesen Empfehlungen keinen Mehrwert:
1. Bei einfacher Bindehautentzündung ist eine Behandlung mit Antibiotika oft nicht notwendig.
2. Ein routinemässiger Einsatz von antibiotischen Augentropfen vor einer Spritze ins Auge ist nicht erforderlich.
3. Blutverdünnende Medikamente sollten vor Operationen am Auge nur in Rücksprache mit dem Augen- und Hausarzt abgesetzt werden.
4. Bildgebende Untersuchungen sollten nur gezielt bei konkreten Fragestellungen eingesetzt werden.
5. Eine Operation des grauen Stars muss sorgfältig abgewogen werden.

Umstrittene Star-Operation

Am erstaunlichsten ist Punkt 5: Die mittlerweile als Routineeingriff geltende Operation des Grauen Stars – auch Katarakt-Operation genannt – sei nur in wenigen Fällen nötig, sagt die SOG. Häufig liege zwar eine Linsentrübung vor, räumen die Augenärzte ein. Doch wenn diese Trübung wenig Beschwerden mache, sei es besser, das Risiko einer Operation nicht einzugehen, auch wenn das Risiko gering wäre.
Ob eine Operation sinnvoll ist, hänge eher davon ab, wie sehr jemand durch die Linsentrübung gestört ist, welche Ansprüche man an das Sehen hat und welche Operationsrisiken im Einzelfall vorliegen. Zwingend ist eine Operation nur, wenn sonst bleibenden Sehschädigungen drohen.

Keine Antibiotika fürs Auge

Auf der Top-5-Liste der unnötigen Eingriffe rangieren auch zwei unnötige Antibiotika-Einsätze: Lokale Antibiotika bei einfacher Bindehautentzündung sind oft nicht nötig und können sogar schädlich sein. Die meisten Bindehautentzündungen werden nämlich nicht durch Bakterien verursacht, sondern eher durch Viren oder treten aufgrund einer äusseren Reizung auf.
Es ist auch nicht nötig, antibiotische Augentropfen vor einer Spritze ins Auge anzuwenden. Sie haben keinen Einfluss auf das Infektionsrisiko, können aber im Gegenzug resistente Keime fördern. Die ausführlichen Empfehlungen sind unter www.smartermedicine.ch zu finden.

Die Leitlinien von «Smarter Medicine»

Die Schweizerische Ophthalmologische Gesellschaft (SOG) hat ihre Top-5-Liste mit dem Verein «Smarter Medicine – Choosing Wisely Switzerland» erstellt. Dieser Verein setzt sich nach dem Motto «weniger ist manchmal mehr» gegen medizinische Über- und Fehlversorgung ein.
Es gibt bereits 19 Top-5-Listen für verschiedene Fachbereiche, unter anderem auch für die Hausarztmedizin, wie Medinside hier berichtet hat. Die Empfehlungen sind als Leitlinien zu verstehen. Ärzte und Patienten sollen damit zu einem gemeinsamen Entscheid finden können.
  • ärzte
  • praxis
  • smarter medicine
  • ophthalmologie
  • augenärzte
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Arzt wies Patienten ab – wegen seiner Parteizugehörigkeit

Dieser Fall versetzte Deutschland in Aufruhr: Ein Hausarzt wollte einen Patienten nicht mehr – weil er bei der AfD-Partei ist.

image

Migros: 1,3 Milliarden Umsatz im Gesundheitswesen

Der Detailhandels-Konzern baut sein Healthcare-Netzwerk auch nach dem Abgang von Fabrice Zumbrunnen aus.

image

Ex-KSW-Chefarzt lanciert interventionell-radiologische Tagesklinik

Christoph Binkert verbündet sich mit dem Medizinisch-Radiologischen Institut MRI in Zürich.

image

In der Schweiz sind 1100 Ärzte mehr tätig

Die Arztzahlen in der Schweiz haben ein neues Rekord-Niveau erreicht: Es gibt nun 41'100 Berufstätige.

image

Der Erfinder des Ledermann-Implantats ist tot

Er war ein bekannter Implantologe, später auch Hotelier und Schriftsteller. Nun ist Philippe Daniel Ledermann 80-jährig gestorben.

image
Gastbeitrag von Peter Baumgartner

Ambulante Psychiatrie: Ohne neue Berufsprofile und KI wird’s kaum gehen

Der Fachkräftemangel in der Psychiatrie verlangt einen massiven Umbau der Versorgung. Aber wie? Ein realistisches Zukunftsszenario.

Vom gleichen Autor

image

SVAR: Neu kann der Rettungsdienst innert zwei Minuten ausrücken

Vom neuen Standort in Hundwil ist das Appenzeller Rettungsteam fünf Prozent schneller vor Ort als früher von Herisau.

image

Kantonsspital Glarus ermuntert Patienten zu 900 Schritten

Von der Physiotherapie «verschrieben»: In Glarus sollen Patienten mindestens 500 Meter pro Tag zurücklegen.

image

Notfall des See-Spitals war stark ausgelastet

Die Schliessung des Spitals in Kilchberg zeigt Wirkung: Nun hat das Spital in Horgen mehr Patienten, macht aber doch ein Defizit.