«Manche Corona-Regeln waren Schwachsinn»

Deutschland zieht Corona-Bilanz: Der Gesundheitsminister bekennt freimütig, welche Massnahmen übertrieben waren.

, 15. Februar 2023 um 08:00
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Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach. | ZDF
Der deutsche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nahm in der TV-Sendung «Markus Lanz» kein Blatt vor den Mund: «Was Schwachsinn gewesen ist – wenn ich so frei sprechen darf – sind diese Regeln draussen», sagte er. Er meinte damit unter anderem das Verbot, ohne Maske joggen zu gehen. Das seien «Exzesse» gewesen. Auch längere Kita- und Schulschliessungen bewertet er rückblickend als Fehler.

Wären es eine Million Tote gewesen?

Gleichzeitig sagte er aber auch: Wenn Deutschland die Pandemie ohne Massnahmen hätte laufen lassen, wären ungefähr eine Million Menschen an Corona gestorben. Er zog deshalb insgesamt eine positive Bilanz. In Deutschland sei die Sterblichkeit trotz der älteren Bevölkerung niedriger gewesen als in anderen Ländern. Insgesamt seien ungefähr 180'000 Menschen an Covid-19 gestorben.

«Lebenschancen genommen»

In Politik und Wissenschaft sind allerdings viele Exponenten überhaupt nicht einig mit dem Minister. FDP-Vizepräsident Wolfgang Kubicki kritisierte Lauterbach auf seiner Facebook-Seite scharf für seine Corona-Politik. Sie habe besonders bei Kindern und Älteren versagt.
Kindern seien mit bewusster Angsterzeugung Lebenschancen genommen worden, Ältere in Altersheimen seien menschenunwürdig behandelt worden. Lauterbach habe mitgeholfen, kritische wissenschaftliche Stimmen auszugrenzen, Panik zu schüren und die Grenzen des Verfassungsstaates zu verschieben.

«Aus der Luft gegriffen»

Der Virologe Hendrik Streeck kritisierte den Minister von der Wissenschaftsseite her: Politische und wissenschaftliche Abwägungen hätten nicht ausreichend stattgefunden. «Mit dem Präventionsparadoxon zu argumentieren und zu behaupten, dass eine aus der Luft gegriffene Anzahl an Todesfällen verhindert wurde, ist in der Rückschau irreführend und statistisch nicht valide.»

Bayern würde wieder so handeln

Hingegen rechtfertigte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek schon vor einiger Zeit die strengen Massnahmen in Bayern: «Im Frühjahr 2020 gab es nur begrenzte Erkenntnisse über das neuartige und hochansteckende Coronavirus, keine Medikamente und keinen Impfstoff. Klar war, dass angesichts der vielen schweren Krankheitsverläufe und einer hohen Sterblichkeit ein konsequentes Vorgehen notwendig war – und genau das haben wir in Bayern getan.»
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