So reagiert Deutschland auf Engpässe bei Medikamenten

Mehr Vorräte, weniger Rabatte und ein «Engpass-Honorar» für die Apotheken: So will Deutschland aus der Arzneimittel-Krise kommen.

, 8. Februar 2023 um 16:12
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In Deutschland gibt es, wie in der Schweiz auch, derzeit viele Lieferengpässe bei Medikamenten – derzeit sind es über 400 Präparate, die nicht in genügenden Mengen lieferbar sind. Nun will die deutsche Regierung ein Gesetz gegen die Lieferengpässe vorlegen, wie die deutsche Gesundheitsplattform Medscape schreibt.

Zu viele Rabatte verlangt

Deutschland habe es mit dem Sparen bei der Arzneimittelversorgung mit patentfreien Medikamenten übertrieben, findet auch der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Auch aus Sicht der Apotheken sind vor allem die Rabattverträge die Wurzel der stockenden Versorgung mit Arzneimitteln.
Wenn stets die billigsten Anbieter den Zuschlag bekämen, würden die Hersteller ihre Rohstoffe in Indien oder China einkaufen, weil sie dort billiger seien. Lege dann ein Schiff zu spät ab oder starte ein Flugzeug zu spät, gebe es bei den Arzneimittel-Herstellern in Europa schnell Lieferengpässe.

Austausch einfacher erlauben

Den Apotheken müsste es künftig erlaubt werden, einfacher Medikamente auszutauschen, etwa statt einer Packung mit 400 Milligramm auch zwei Packungen mit je 200 Milligramm abzugeben. Oder wenn ein Magenmittel oder Antibiotikum fehle, auf einen ähnlichen Wirkstoff auszuweichen – nach Absprache mit den Ärzten und nach Beratung der Patienten. Weil das Zeit kostet, sollen die Apotheken dafür auch bezahlt werden.
Das neue Gesetz gegen Lieferengpässe sieht unter anderem folgende Massnahmen vor:
  • Kinderarzneimittel sollen von den Rabattverträgen ausgenommen werden.
  • Bei den patentfreien Arzneimitteln werden die Rabattregeln gelockert und zuverlässigere europäische Hersteller bei Vertragsabschluss bevorzugt.
  • Rabattierte Arzneimittel müssen künftig ausreichend auf Vorrat gekauft werden.
  • Die Apotheker erhalten ein Honorar für die Rücksprache mit den Ärzten erhalten, und zwar in Höhe von 50 Cent pro Rücksprache.

Krankenkassen sind dagegen

Die deutschen Krankenkassen sind gegen solche Regelungen: «Der Vorwurf, Rabattverträge seien schuld an Lieferengpässen, ist eine fadenscheinige Ausrede der Pharmalobby, wenn pharmazeutische Unternehmen ihrer eingegangenen Lieferverpflichtung nicht nachkommen», sagte der Krankenkassenverband gegenüber «Medscape»
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