Zweitmeinung? Dafür haben wir doch Dr. Google

Online-Infos untergraben zunehmend das Vertrauen in die Diagnosen der Ärzte.

, 10. Mai 2017 um 11:12
image
  • trends
  • praxis
Wie jemand das Internet für Gesundheitsinformationen nutzt, hat einen klaren Einfluss auf sein Vertrauen in den Arzt – und auch bei der Frage, ob er eine Zweitmeinung einholt. Dies deuten neue Daten an, die jetzt am nationalen Pädiater-Kongress der USA vorgestellt wurden.
Zusammengefasst besagt die Studie: Wenn die ärztliche Diagnose mit den Online-Informationen der Eltern übereinstimmt, dann vertrauen diese dem Arzt auch stärker. Wenn es Widersprüche gibt, wird eher eine Zweitmeinung eingeholt.


Durchgeführt wurde der Test von Kinderärzten aus Kalifornien und New York. Er verlief so: Knapp 1’400 Eltern wurden vor die Situation gestellt, dass ihr Kind ein rasch voranschreitendes Fieber habe. Die eine Gruppe erhielt danach Internet-Screenshots über die Symptome von Scharlach, die andere über die Ausprägungen des Kawasaki-Syndroms. Eine Kontrollgruppe schliesslich erhielt gar keine Web-Informationen.
Dann erfuhren alle Testpersonen, dass der Arzt auf Scharlach erkannte. Was geschah?

  • Von jenen Eltern, deren Internet-Information sich um Scharlach gedreht hatte, glaubten 90,5 Prozent dem Arzt. Nur 21 Prozent dieser Gruppe antworteten, sie würden eine Zweitmeinung einholen wollen.
  • In der Kontrollgruppe glaubten 81 Prozent dem Arzt, aber bereits etwas mehr dieser Eltern wollten obendrein eine andere Einschätzung einholen – nämlich 42 Prozent.
  • Hatten die Eltern schliesslich Informationen über die das – ähnliche, aber gefährlichere – Kawasaki-Syndrom erhalten, so vertrauten nur noch 61 Prozent der Einschätzung des Mediziners. Und eine klare Mehrheit wollte nun eine weitere ärztliche Meinung einholen: Die Quote lag bei 64 Prozent.

Was das für den Alltag bedeutet


Einerseits zeigen diese Daten also etwas durchaus Erwartbares: Eine Online-Bestätigung stützt auch den Arzt – und ein Widerspruch schwächt das Vertrauen in den Mediziner. Klar scheint aber, dass das Vorwissen der Eltern beziehungsweise Patienten im Gespräch zunehmend offen diskutiert werden muss.
«Kinderärzte sollten die Eltern ermutigen, alle ihre Bedenken offenzulegen, damit sie sie durch den Prozess der Differenzialdiagnose führen kann – und erklären kann, weshalb andere Diagnosen ausgeschlossen wurden», sagt Studienleiterin Ruth Milanaik (Hofstra Northwell School of Medicine).
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Psychotherapie: Santésuisse spricht von Kostenexplosion

Die Krankenkassen fordern einen tieferen Tarif für psychologische Psychotherapeuten. 

image

Grundversorgung: Das möchten die Leute nicht

Mit Kiosken und KI-Diagnostik sollte in den USA das Gesundheitswesen revolutioniert werden. Jetzt wird das Multimillionen-Projekt abgebrochen. Der Fall zeigt: In der Grundversorgung ist menschliche Nähe unersetzlich.

image

Brustkrebsscreening bald auch in Baselland

Während immer mehr Kantone Brustkrebsscreenings einführen, wird der Nutzen in Zürich hinterfragt.

image

In der Rehaklinik üben Patienten mit einer App

Reha-Training mit dem Tablet: In der Klinik Tschugg analysiert der Computer unter anderem die Aussprache.

image

Sätze, die man zu schwerkranken Patienten nicht sagen sollte

«Alles wird gut.» «Kämpfen Sie!» «Was haben die anderen Ärzte gesagt?»: Eine Studie identifiziert Floskeln, die kranke Menschen verunsichern können.

image

In Bern steht die Selbstdispensation wieder zur Debatte

Der jahrelange Konflikt zwischen Apothekern und Ärzten könnte in eine neue Runde gehen: Eine kantonale Motion fordert, dass künftig alle Arztpraxen Medikamente verkaufen dürfen.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.