Zulassungsstopp: Jetzt geht es um die Vertragsfreiheit

Die Vorschläge des Bundesrates zur Fortführung des Ärztestopps werden weitherum kritisiert: Vielen ist das zu zaghaft.

, 6. Juli 2017 um 09:56
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Nicht perfekt, aber möglich: So vorsichtig beurteilt Alain Berset sein neues Paket zum Zulassungsstopp für Ärzte gleich selber (mehr dazu hier). «Es gibt nur diese Variante, die mehrheitsfähig scheint», sagte der Gesundheitsminister gestern vor den Medien.
Entsprechend fiel die Kritik aus: Die Sache sei mutlos. SVP-Nationalrat und Santésuisse-Präsident Heinz Brand kritisierte, dass bereits das Parlament solche Vorschläge «ausdrücklich nicht mehr wollte». Dort, im Parlament, sind denn auch diverse bürgerliche Vorstösse hängig, welche den Vertragszwang der Kassen lockern sollen. Und wie Heinz Brand im «Tages-Anzeiger» sagte, geht er davon aus, dass der Nationalrat nun das Heft in die Hand nehme.

Santésuisse: «Alter Zopf»

Auch FDP-Politikerin Karin Keller-Sutter äusserte die Erwartung, dass Bersets Ideen zur Ärztezulassung kombinierbar sei mit einer «Lockerung des Vertragszwangs».
Und darum geht es: Die Reaktionen seit gestern lassen spüren, dass die Frage des Vertragsfreiheit nicht vom Tisch ist, im Gegenteil. Alain Berset – und seine Partei, die SP – gehen davon aus, dass beim Volk alles chancenlos sei, was auf eine Beschränkung bei der freien Arztwahl hinführt. Anders sieht dies logischerweise Santésuisse. Entsprechend unwirsch reagierte der Kassenverband auf das gestern vorgestellte Ärztestopp-Paket.
«Das neue System ist ein alter Zopf, den das Parlament zurecht abschneiden wollte», sagte Direktorin Verena Nold. «Die bestehende Überversorgung im ambulanten Bereich kann mit 26 unterschiedlichen Gesundheitssystemen, so nicht gestoppt werden. Die Zeche werden die Prämienzahler berappen müssen.»
Und so brachte Santésuisse bei dieser Gelegenheit erneut die Forderung auf, dass der Bund beim Vertragszwang lösen müsse. «Mit dem starren Vertragszwang bleiben Innovation und Qualitätswettbewerb nun aber auf der Strecke», so das Communiqué aus Olten.

«Leider verworfen»

Interessanterweise waren sich hier «Tages-Anzeiger» und «Neue Zürcher Zeitung» in der Beurteilung für einmal recht einig – beide grossen Zeitungen sympathisieren in ihren heutigen Kommentaren ebenfalls mit Lockerungen beim Vertragszwang.
Als «homöopathische Eingriffe» bezeichnet der Tagi die Vorschläge von Alain Berset – und fügt gleich an: «Ob dieses gesundheitspolitische Feintuning den allgemeinen Kostenschub spürbar bremsen kann? Es ist zu bezweifeln. Echte Remedur wäre, soweit Gesundheitsexperten zu glauben ist, nur durch eine Lockerung des Vertragszwangs zu erreichen. Krankenkassen müssten also von der Verpflichtung befreit werden, auch die ineffizienten und überzähligen Ärzte zu bezahlen.»
Berset habe diesen Schritt «leider verworfen. Nicht aus fachlichen, sondern aus politischen Überlegungen.»

Managed-Care-Vorlage? Das war vor 5 Jahren

Der «Tages-Anzeiger» bezweifelt vor allem aber Bersets Argument, dass die freie Arztwahl für die Schweizer tabu sei. Seit dem Nein zur Managed-Care-Vorlage (welche in diese Richtung lief) seien über fünf Jahre vergangen. «Nicht nur die Krankenkassenprämien sind in dieser Zeit weiter gestiegen. Auch die medizinische Landschaft hat sich verändert. Immer mehr Bürger besuchen Ärztezentren und machen die Erfahrung, dass es nebst dem primären Arzt des Vertrauens auch noch weitere fähige und zuverlässige Mediziner gibt.
Die «Neue Zürcher Zeitung» attestiert Berset ebenfalls, dass er kurzerhand das derzeit politisch Machbare bringe. «Sein Plan enthält sinnvolle Massnahmen, etwa die Betonung der Qualität.» Positiv sei auch, dass die Kantone einen grösseren Spielraum bei der Zulassung von Praxen erhalten.
Dennoch, die NZZ bleibt ebenfalls dabei: Die Vertragsfreiheit müsse ein Thema bleiben. «Wenn die Krankenkassen denjenigen Spezialisten, die bei den Behandlungen übermarchen, die Zusammenarbeit verweigern könnten, hätte das eine disziplinierende Wirkung. Um den Beruf des Hausarztes attraktiver zu machen, müsste man ihn von einer solchen Reform ausnehmen.»
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