Die Berner Domicil-Altersheime, die Bündner Klinik Gut und die Pflegeheimgruppe Senevita haben es aufs Podest geschafft: Sie sind dieses Jahr als die besten Arbeitgeber im Gesundheits- und Sozialwesen ausgezeichnet worden. Doch gleichzeitig sind diese drei die einzigen, die überhaupt genug zufriedene Mitarbeiter haben, damit sie für die Auszeichnung in Frage kommen.
Es stellt sich die Frage: Was läuft falsch? Und was machen die ausgezeichneten Betriebe besser als die anderen? Medinside hat Ben Seiler vom Beratungsinstitut für Arbeitsplatzkultur «Great Place To Work» gefragt.
Ben Seiler, Ihr Unternehmen hat Domicil, die Klinik Gut und Senevita als die «Besten Arbeitgeber der Schweiz» im Gesundheits- und Sozialwesen ausgezeichnet. Was machen diese drei Arbeitgeber denn so besonders gut?
Das ist unterschiedlich. Anhand eines Fragebogens, den die Mitarbeitenden anonym ausfüllen konnten, bewerten wir fünf Kriterien, die einen guten Arbeitsplatz ausmachen: Glaubwürdigkeit, Respekt, Fairness, Teamgeist und Stolz. Bei Domicil ist vor allem der Stolz ein wichtiger Punkt: In der letzten Befragung gaben 93% der Mitarbeitenden an, dass ihre Arbeit für sie eine besondere Bedeutung und Sinn hat sowie dass die Arbeit mehr als nur ein «Job» ist. 87% sind stolz auf das, was sie leisten.
Bei der Klinik Gut ist hingegen das Kriterium Teamgeist stark ausgeprägt. 94% der Mitarbeitenden finden, dass man sich willkommen fühlt, wenn man neu anfängt, und 92% gaben an, dass eine freundliche Arbeitsatmosphäre herrscht.
In der Klinik Gut gibt es Mitarbeiterveranstaltungen und Anlässe, die häufig Leute aus den verschiedensten Teams zusammenbringen. Im Domicil sorgt das unter anderem mit Skill- und Grade-Mix dafür, dass jedes Teammitglied seine individuellen Stärken einbringen kann.
Was heisst Skill- und Grade-Mix?
Die Mitarbeitenden werden in den Gruppen so vernetzt, dass ein idealer Mix von Kompetenzen für eine umfassende Pflege entsteht.
Aus wie vielen Unternehmen aus dem Gesundheitswesen wurden die drei Gewinner ausgewählt?
Die Gewinner werden von uns nicht ausgewählt, sondern anhand der Zufriedenheit der Mitarbeitenden ermittelt. Damit sich ein Unternehmen überhaupt für den nationalen Vergleich qualifiziert, müssen es zuerst die Basis-Zertifizierung mit einem Score von mindestens 70% Zufriedenheit aller Mitarbeitenden erreichen. Diejenigen Firmen, die dieses Niveau erreichen, werden dann noch untereinander verglichen und mit dem entsprechenden Platz ausgezeichnet. Dieses Jahr machten die Gewinner die Podestplätze untereinander aus: Nur Senevita, Klinik Gut und Domicil erhielten die Basis-Zertifizierung im Bereich Gesundheits- und Sozialwesen.
Das heisst, dass Firmen aus dem Gesundheitswesen eher unzufriedene Angestellte haben. Was läuft falsch?
Im Gesundheitswesen beobachten wir, dass die Dimension Fairness in unserer Befragung häufig weniger gut abschneidet. Ein konkreter Punkt sind dabei die Beförderungen: Viele geben an, dass sie es nicht fair finden, wer befördert wird. Ein weiterer Punkt ist die faire Verteilung des Unternehmenserfolgs. Viele Mitarbeiter haben das Gefühl, dass sie nicht genug am Unternehmenserfolg beteiligt werden. Ein dritter und sehr wichtiger Punkt betrifft den Respekt: Mitarbeitende gaben häufig an, zu wenig in die Entscheidungen, die ihre Arbeit direkt betreffen, einbezogen zu werden. Dabei ist es zentral, die Mitarbeitenden in Entscheidungen einzubeziehen, um eine vertrauensvolle Arbeitsplatzkultur zu schaffen.
Was ist der Hauptkritikpunkt der Angestellten im Gesundheitswesen?
Am häufigsten empfinden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Lohn als nicht fair. Dabei geht es jedoch keineswegs um die Höhe des Salärs. Ob ein Gehalt als fair empfunden wird, hängt von mehreren Faktoren ab: Beispielsweise vom Vergleich des eigenen Gehalts mit dem der Kollegen oder anderer Mitarbeiter unter Berücksichtigung ihrer Leistungen. Oder es hängt auch davon ab, ob der Lohn im Verhältnis zum Unternehmenserfolg stimmt. Deshalb nützt es auch wenig, einfach das Gehalt zu erhöhen – die Fairness würde dadurch nicht verändert.
Was sind die Pluspunkte, welche die Angestellten angeben?
Am meisten werden Pluspunkte in den Bereichen Teamgeist und Stolz angegeben, um weiter bei den fünf Kriterien zu bleiben. Viele Mitarbeitenden fühlen sich wohl im Team und es herrscht eine gute Atmosphäre. Sie finden, dass ihre Arbeit sinnstiftend ist – und nicht nur ein «Job». Wer Sinn in seiner Stelle sieht, hat eine völlig andere Motivation für die Arbeit und fühlt sich zufriedener.
In der Gesundheitsbranche gibt es häufiger Stellenwechsel als in anderen Branchen. Ist das eine Folge der eher geringen Zufriedenheit der Angestellten?
Unsere Mitarbeiterbefragung untersucht nicht die Gründe für einen Arbeitsplatzwechsel. Bestimmt hat die Arbeitsplatzkultur einen Einfluss auf die Fluktuation. Denn wer an einem Arbeitsplatz besonders zufrieden ist, hat einen Grund mehr, im Unternehmen zu bleiben. Doch die Fluktuation nur auf die Arbeitsplatzkultur zu reduzieren, würde nicht ausreichen. Denn es gibt viele weitere Faktoren, die einen Wechsel beeinflussen – völlig unabhängig von der Unternehmenskultur.
Was weiss der Chef über die Zufriedenheit seiner Mitarbeitenden?
«Ein gutes Team mit einem positiven Teamgeist ist zentral», sagt Christoph Gassner, der neue CEO von Senevita, der zweitgrössten Anbieterin für betreutes Wohnen und Langzeitpflege. Was er sonst noch zu seinen Angestellten sagt, ist in
diesem Interview zu lesen.
Was das Prädikat «Bester Arbeitgeber» bedeutet
Das Prädikat wird jährlich verliehen. Die Bewertung erfolgt nach einem festgelegten Schema: Zum einen können die Mitarbeiter anonym 58 Fragen zu Arbeitsplatzthemen wie Identifikation, Teamgeist, berufliche Entwicklung, Lohn, Gesundheitsförderung und Work-Life-Balance beantworten. Zum anderen wird die Qualität der Massnahmen der Personal- und Führungsarbeit im Management des Unternehmens bewertet. Verliehen wird das Prädikat in der Schweiz seit 2009 vom international tätigen Beratungsunternehmen «Great Place to Work».