Vor dem Arbeitsgesetz sind nicht alle Oberärzte gleich

Sie arbeiten mal 50, mal 55 und mal 65 Stunden pro Woche – und das in ganz benachbarten Spitälern. Wird die unterschiedliche arbeitsrechtliche Situation des Gesundheitspersonals dereinst zum Politikum?

, 8. April 2016 um 11:00
image
  • spital
  • spital bülach
  • arbeitszeiten
Es war eine bemerkenswerte kleine Erklärung im jüngst veröffentlichten Jahresbericht des Spitals Bülach: Das Regionalspital musste im letzten Jahr mehr Personal rekrutieren, weil es sich von einer öffentlich-rechtlichen Organisation zu einer AG gewandelt hatte. Damit untersteht es nun dem Arbeitsgesetz gemäss Obligationenrecht – was konkret heisst, dass alle Angestellten eine Obergrenze von 50 Wochenarbeits-Stunden haben.
Also wurde zum Beispiel die Arbeitszeit für Oberärzte in Bülach von 65 auf 50 Stunden gesenkt – womit, um die Versorgungssicherheit zu wahren, fünf neue Oberärzte angestellt werden mussten. Damit steigert sich alleine die Lohnsumme um etwa 650'000 Franken.

Ungleiche Spiesse für die Spitäler

Das Regionaljournal Zürich/Schaffhausen von Radio SRF hat die bemerkenswerte Ungleichheit nun zum Thema gemacht. Denn fünf weitere Zürcher Regionalspitäler befinden sich in derselben Situation wie jenes von Bülach – drei Regionalspitäler indessen sind weiterhin in Zweckverbänden organisiert: Die Oberärzte können dort also länger arbeiten.
Im Radiogespräch bemängelt Rolf Gilgen, der CEO des Spitals Bülach, dass die Spitäler damit mit ungleich langen Spiessen im Konkurrenzkampf stehen. Denn hinzu kommt, dass die Kantonsspitäler wiederum andere Bedingungen haben: Nach einem Bundesgerichtsentscheid von 2012 unterstehen sie ebenfalls dem nationalen Arbeitsgesetz. 

Zum Radiobeitrag: «Oberärzte müssen (zu) lange arbeiten», Regionaljournal SRF, April 2016

Bei den Zürcher Stadtspitälern wiederum scheiterte der Versuch, hier dasselbe einzuführen, aber die städtischen Politiker einigten sich auf einen Kompromissvorschlag. Nun wird am Waidspital und am Triemlispital maximal 55 Stunden pro Woche gearbeitet.
Die SRF-Radioreporter diskutierten diese Situation inbesondere unter dem Aspekt der Gerechtigkeit für die Oberärzte – und stellten zum Beispiel die Frage in den Raum, ob es nicht verwunderlich sei, dass die (linke) Stadt Zürich ihren Ärzten schlechtere Arbeitsbedingungen bietet, als das nationales Arbeitsgesetz vorsieht. Was zur Antwort des SP-Gemeindepolitikers Joe Manser führte: «Bei diesem Berufsstand ist es so, dass es offenbar teilweise unbestritten ist, dass man mehr als 8 Stunden arbeitet, sonst kann man Karriere gar nicht machen». 
Oder anders: Die Ärzte wollen es ja selber so. Zumindest in den öffentlichen Spitälern.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Spital Samedan prüft Zusammenschluss mit Kantonsspital Graubünden

Die Stiftung Gesundheitsversorgung Oberengadin untersucht zwei strategische Wege in eine nachhaltige Zukunft.

image

Kantonsspital Aarau: Mehr Betten im Neubau

Wegen einer «unverändert hohen Patientennachfrage» plant das KSA nun doch mehr Betten.

image

Hirslanden: Umbau an der Spitze – näher zu den Regionen

Hirslanden-Zürich-Direktor Marco Gugolz zieht als Regional Operations Executive in die Konzernleitung ein.

image

Was geschieht mit dem Spital Thusis?

Die Stiftung Gesundheit Mittelbünden sucht Wege aus der finanziellen Krise – beraten von PwC. Ein Entscheid soll im Herbst fallen.

image

CSEB: «Herausfordernd, aber zufriedenstellend»

Trotz roten Zahlen und leicht rückläufigen Patientenzahlen gibt sich das Center da sandà Engiadina Bassa optimistisch.

image

Spital STS: Hohe Patientenzahlen bewahren nicht vor Verlust

Sowohl stationär als auch ambulant gab es bei der Spitalgruppe Simmental-Thun-Saanenland 2023 einen Zuwachs.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.