Der Fall fand damals auch in den Medien erhebliche Beachtung: Im Juni 2015 verurteilte das Freiburger Schiedsgericht zum Krankenversicherungsgesetz eine Hausärztin zur Rückzahlung von 220'000 Franken. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die Medizinerin zwischen 2005 und 2008 ihre Patienten überarztet hatte. Immerhin hatte der Kassenverband Santésuisse eruiert, dass sie in ihrer Praxis im Schnitt 1'670 Franken pro Patient verrechnete, während vergleichbare Ärzte im Freiburgischen auf 950 Franken kamen.
Doch die Verurteilte zog den Fall weiter, gelangte ans Bundesgericht – und setzte sich jetzt durch. Oder genauer: Das oberste Gericht entschied, dass die Vorinstanz den Fall neu aufrollen muss.
Plus Psychotherapie plus Selbstdispensation
Vor dem Schiedsgericht in Freiburg hatte die Ärztin vorgebracht, dass sie überdurchschnittlich viele ältere Patienten habe; dass sie mehr schwerere Fälle betreue als der Durchschnitt, beispielsweise MS-Patienten; dass viele ihrer Patienten aus Portugal stammten, so dass die Krankengeschichte erst habe erarbeitet werden müssen; und dass sie als Selbstdispensations-Ärztin auch einen regeren Patientenverkehr habe.
Das Freiburger Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Es verwies sogar darauf, dass die Allgemeinpraktikerin gar nicht belegen könne, eher schwerere Fälle zu behandeln als der Schnitt. Vor Bundesgericht betonte die Ärztin nun zusätzlich, dass sie neben der Allgemeinversorgung auch psychotherapeutische Behandlungen selber durchführte oder in Delegation durchführen liess. Dieser Aspekt sei bei der statistischen Auswertung nicht berücksichtigt worden.
Ein vorschneller Schluss
Ein weiterer Punkt drehte sich um die Selbstdispensation. Hier hatte der Santésuisse-Vergleich ebenfalls höhere Medikamentenkosten festgestellt und diese der Ärztin zur Vorwurf gemacht. Das Gegenargument: Gerade weil sie eine eigene Apotheke betrieb, gab die Ärztin auch teure Medikamente ab, welche von anderen Medizinern – Spezialisten – verschrieben worden waren. Das Ausmass dieser Kosten war also zu erheblichen Teilen gar nicht aus der eigenen Praxistätigkeit bedingt.
Das Bundesgericht folgte ihr nun in diesen beiden Punkten – wobei es bemängelte, dass das Freiburger Gericht vorschnell aus der abgegebenen Medikamenten-Menge auf Überarztung geschlossen habe, ohne die Details genügend überprüft zu haben.
Und vor allem: Die zuständige Bundesgerichts-Kammer in Luzern legt grundsätzlich einen Massstab an, der Folgen haben könnte. Sie unterscheidet zwischen der analytischen Methode, mit der sich Ungereimtheiten aufdecken lassen, und der statistischen Methode. Also jenem Vorgehen, bei der die Krankenkassen durch Vergleichsgruppen-Bildung einzelne Kosten-Ausreisser aufspüren und notfalls zur Rechenschaft ziehen.
«…sollte der Einsatz ins Auge gefasst werden»
In diesem Fall sei die statistische Methode nicht in der Lage gewesen, einen gültigen Vergleich zu schaffen, argumentierte der Anwalt der Ärztin, da es an ähnlichen Praxen fehle. Diesem Einwurf folgte das Gericht weitgehend: «Falls es sich als schwierig oder gar unmöglich erweist, Vergleichsgruppen zu bilden, welche den ökonomischen Charakter von Praxen wie jener der Rekurrentin mit delegierter Psychotherapie und Selbstdispensation abbilden (in Verbindung mit ihrer Tätigkeit als Praxisärztin), dann sollte der Einsatz der analytischen Methode ins Auge gefasst werden», steht im Urteil.
Der Rekurs der Ärztin wird damit teilweise gutgeheissen: Das Urteil des Freiburger Schiedsgerichts vom Juni 2015 wird annuliert und der Fall nochmals zur Neubeurteilung zurückgewiesen.