Kleine Spitäler diagnostizieren weniger Krankheiten

Eine Studie aus St. Gallen stellt kleinen Spitälern ein schlechtes Zeugnis aus: Sie diagnostizieren seltene Krankheiten häufig falsch oder zu spät.

, 24. März 2021 um 14:31
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Wer mehr als 20 Minuten von einem Spital entfernt wohnt, hat ein grösseres Risiko, dass ein allfälliges Leiden falsch oder zu spät festgestellt wird. Das gilt insbesondere bei seltenen Krankheiten. Dieses Resultat zeigt eine Studie von Ärztinnen und Ärzte des Kantonsspitals St. Gallen.

Kleinen Spitäler fehlt es an Diagnosemöglichkeiten

Der Grund für diesen Befund: Je weiter ein Patient vom nächsten Spital entfernt wohnt, umso eher wird er in ein kleineres regionales Spital eingeliefert. Und solche Spitäler haben weniger umfassende Diagnosemöglichkeiten als ein grosses Spital.
Das führt zum krassen Unterschied, dass bei Patienten, die mehr als eine Stunde vom nächsten Spital entfernt wohnen, nur etwa halb so oft eine seltene Krankheit diagnostiziert wird, wie bei Patienten mit einem kürzeren Weg.

Frühe Diagnosen verhindern oft Schlimmeres

Unterdiagnosen oder zu späte Diagnosen können den Krankheitsverlauf bei vielen seltenen Krankheiten negativ beeinflussen. Denn eine frühzeitige Behandlung verhindert bei vielen Krankheiten kognitive und körperliche Behinderungen.
Das Fazit der Studie, welche in der «Luzerner Zeitung» besprochen wurde, lautet: Es braucht eine bessere Planung der Spitalstandorte. Und zwar müssten nicht nur die Entfernungen zur Bevölkerung, sondern auch die Fallzahlen optimiert werden.

Mindestens 7000 Fälle pro Jahr

Martin Brutsche, Mitautor der Studie und Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Schlafmedizin in St. Gallen, kam bereits in einer früheren Studie zum Schluss: Eine Fallzahl von mindestens 7217 Spitaleinweisungen pro Jahr sei ein Indikator für eine akzeptable diagnostische Leistung.
Das kleinste Schweizer Spital ist das Centro Sanitario im Bergell. 2019 wurden dort gerade einmal 49 Patienten stationär behandelt. Dafür ist der Anteil an ambulanten Patienten hoch: Es sind rund 10 000 pro Jahr. Zum Vergleich: Das grösste Schweizer Spital, die Genfer Universitätsklinik (HUG), behandelt 59'000 Fälle pro Jahr stationär - also etwa das 1200-fache des Bergeller Spitals in bünderischen Promontogno.
Wichtig zu wissen ist auch:
  • Nur 60 der gut 160 Schweizer Akutspitäler haben über 7000 Fälle pro Jahr. Rund 100 Spitäler liegen darunter.
  • 11 Spitäler zählen zu den Kleinstspitälern mit weniger als 200 Fällen pro Jahr.
  • Weitere 10 Spitäler sind Kleinspitäler mit 200 bis 500 Fällen.

Hoffnung auf Telemedizin

Die Studie zeigt auch: Viele kleine Spitäler mit eingeschränkten diagnostischen Mitteln schneiden schlechter ab, als wenige grosse Spitäler mit vielen speziellen Diagnosemethoden.
Doch sollen nun alle kleinen Spitäler geschlossen und nur noch grosse Spitalzentren in Betrieb gehalten werden? So weit geht die Studie nicht. Die Autoren setzen nämlich gerade in abgelegeneren Regionen auch viel Hoffnung in die telemedizinische Versorgung.

Schnell und direkt zu den Fachleuten

Mit Telemedizin können Patienten auch über grössere Distanz mit Spezialisten in Kontakt treten, welche dann Ratschläge erteilen können. Und nicht nur Patienten profitieren. Auch für Allgemeinmediziner kann die elektronische Kommunikation nützlich sein, weil sie auf diese Weise schnell und direkt Zugang zu Fachärztinnen und Fachärzten erhalten.
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