Placebos wirken – sogar wenn man weiss, dass es Placebos sind

Vielleicht erschliessen sich durch diese Erkenntnis neue Möglichkeiten, weniger Arzneimittel einzusetzen.

, 8. Juli 2016 um 13:53
image
  • medikamente
  • placebo
Für die einen ist es vielleicht nur eine Art Globuli-Effekt; die anderen mögen verblüfft sein über die Erkenntnisse, die jetzt auf dem «Health Blog» der Harvard University veröffentlicht wurden: Das Thema dort sind neue Daten von Ted J. Kaptchuk, dem Leiter des Placebo-Studienprogramms von Harvard. In einem neuen Versuch fand das Team um Kaptchuk heraus, dass der berühmte Placebo-Effekt noch tieferliegende Ursachen haben könnte als bislang gemeint.
In den erwähnten Versuchen ging es um Patienten mit Reizdarmsyndrom. Die Harvard-Forscher testeten sie bilderbuchmässig nach der Doppelblind-Methode, das heisst in diesem Fall: Die eine Gruppe erhielt ein Placebo – und sie wurde auch darüber informiert, dass es eine «Zuckerpille» sei. Die andere Gruppe erhielt: gar nichts.
Und siehe da: Die Placebo-Gruppe (die in diesem Fall die eigentliche Test-Gruppe war) verzeichnete eine klare und signifikante Verbesserung der Symptome.

Wirkt nur bei bestimmten Krankheiten

Kaptchuk schränkt gleich selber ein, dass dieser Effekt nur bei bestimmten Krankheiten funktionieren kann: Mit unverhohlenen Fälschungen lässt sich weder Krebs bekämpfen noch der Cholesterinspiegel senken.
Doch vermutlich entstehen Placebo-Effekte bei Befunden, wo Selbstbeobachtungs-Symptome eine wichtige Rolle spielen – mit Übelkeit, Schmerzen, Müdigkeit oder eben auch bei der Verdauung.
«Man kann eine Placebo-Reaktion auslösen, auch wenn man weiss, dass man ein Placebo bekommen hat», so Kaptchuk im Harvard-Health-Blog: «Es braucht bei vielen Krankheiten keine Täuschung oder Verschleierung, um einen signifikanten und bedeutsamen Placebo-Effekt zu erhalten.»
Die Hoffnung: Bei all den Befunden, wo «open-label placebo» wirksam sein können, liessen sich damit womöglich Verbesserungen erzielen. Konkret: Man verabreicht die erwähnte Zuckerpille, so Kaptchuk: «Falls die funktioniert, dann ist es grossartig. Falls nicht, dann kann man mit den Medikamenten fortfahren.»
Mehr | Quellen:
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Novartis hat einen Präsidenten für seine Generika-Tochter Sandoz bestimmt

Gilbert Ghostine wird künftiger Sandoz-Präsident. Die Generika-Tochter von Novartis soll noch 2023 vom Konzern abgespalten und separat an die Börse gebracht werden.

image

Medikamente: Eine Ausnahme alle drei Minuten

Wird ein Medikament ausserhalb des vorgesehenen Verwendungszwecks verschrieben oder steht sein Preis noch nicht fest, ist eine Einzelfallerstattung möglich. Diese Ausnahme darf jedoch nicht zur Regel werden.

image

So reagiert Deutschland auf Engpässe bei Medikamenten

Mehr Vorräte, weniger Rabatte und ein «Engpass-Honorar» für die Apotheken: So will Deutschland aus der Arzneimittel-Krise kommen.

image

Medikamente: «Wir betonen seit Jahren, dass die Situation immer schlechter wird»

«Problematisch» – so stuft der Bund die Arzneimittel-Engpässe ein. Nun soll eine Taskforce Massnahmen prüfen. Was sagt die Branche dazu? Wir haben nachgefragt.

image

Ein Berner Apotheker wehrt sich für den Cannabis-Verkauf

Die Berner Regierung will keinen Cannabis-Verkauf in Apotheken. Ein Apotheker sagt, warum das für ihn unbegreiflich ist.

image

Lieferengpässe bei Medikamenten: Wann fällt der Groschen?

Im Moment schnellen die Zahlen von Lieferengpässen nach oben.

Vom gleichen Autor

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.

image

Wer will bei den Helios-Kliniken einsteigen?

Der deutsche Healthcare-Konzern Fresenius sucht offenbar Interessenten für den Privatspital-Riesen Helios.

image

Deutschland: Investment-Firmen schlucken hunderte Arztpraxen

Medizin wird zur Spielwiese für internationale Fonds-Gesellschaften. Ärzte fürchten, dass sie zu Zulieferern degradiert werden.