Pharmafirmen sollen Forschungsresultate beeinflussen

Das Schweizer Fernsehen ging den Sponsoringverträgen von Schweizer Universitäten nach – und bringt Abkommen ans Licht, die eine krassere Einflussnahme belegen als bekannt.

, 20. April 2016 um 11:28
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«Geheime Deals: Wie Pharma-Konzerne Universitäten kaufen»: Die SRF-Fernsehsendung «Rundschau» macht heute die Verflechtungen von Sponsoren und Hochschulen zum Hauptthema. Die Redaktion hatte die Interessenbindungen, die Verbindungen der Professoren und die Herkunft von Drittmitteln recherchiert (hier eine grafische Präsentation der Daten). 
Dabei spielt der Bereich Pharma und Gesundheitswesen natürlich eine grosse Rolle: Er ist nach einem als Bildung und Forschung bezeichneten Feld der zweitwichtigste Player im Sponsoring der Universitäten (mehr dazu hier). 

Professoren müssen alle drei Monate berichten

«Pharmakonzerne kaufen sich mit geheimen Verträgen für gesponserte Professuren und Lehrstühle Einfluss an Schweizer Universitäten», so denn die «Rundschau» in der Ankündigung.  
Denn die Sendung bekam die Verträge von Firmen wie Roche, Novartis und Merck Serono sowie dem Verband Interpharma mit den Universitäten Basel, Bern und der ETH Lausanne  zu Gesicht – es geht um Beträge in einer Spanne zwischen 450‘000 Franken jährlich bis 12,5 Millionen über 25 Jahre Laufzeit.

«Akzeptable Änderungen» an der Publikation

Brisant erscheint nun der Aspekt, dass die Verträge teils tatsächlich eine Einflussnahme in die Forschung vorsehen.
Konkret genannt wird der Vertrag für drei bezahlte Lehrstühle der ETH Lausanne (EPFL) mit Merck Serono im Bereich Neurowissenschaft, Medikamentenabgabe-Technologien und Onkologie (zu den Merck Serono Chairs). 
Für das 12,5-Millionen-Paket erhält Merck laut der «Rundschau» weitgehende Rechte. So müssen die Professoren Douglas Hanahan (Onkologie), Jeffrey Hubbell (Drug Delivery) und Patrick Fraering (Neurowissenschaften) ihre Forschungsresultate der Pharmafirma alle drei Monate vorlegen.
Passt der Medikamentenfirma ein Forschungsresultat nicht, könne Merck Serono sogar «akzeptable Änderungen» an der Publikation der Forschungsresultate verlangen.

EPFL widerspricht und schränkt ein

Allerdings setzte die EPFL hier zur Korrektur an: Dabei handle es sich um eine Fehlinterpretation des Vertrags, sagte Hochschul-Sprecher Lionel Pousaz, im «Bund» (Print). Die zitierte Passage stamme aus dem Anhang des Sponsoringvertrags, der sich nicht auf den Lehrstuhl, sondern auf Auftragsforschung beziehe. Dort seien solche Klauseln aus Geheimhaltungsgründen üblich. Eine Einflussnahme auf die Veröffentlichung von Resultaten sei jedoch nicht möglich. «Die Richtlinie der ETH Lausanne über die wissenschaftliche Integrität untersagt explizit derartige Manipulationen.»
Zur «Rundschau»: Sendungsvorschau 20. April 2016 — Sendungs-Website
«Im Alltag sind die Forscher unabhängig», sagte zudem EPFL-Sponsoringchef Daniel Grosse im TV-Interview. Aber: «Vielleicht würden wir einen solchen Vertrag heute nicht mehr abschliessen.»

Zur Wahrung vertraulicher Informationen?

Laut Merck beziehe sich die Berechtigung, die Publikation von Forschungsresultaten abändern zu können, «ausschliesslich auf die wissenschaftliche Veröffentlichung von Ergebnissen der Lehrstuhl-Teamprojekte.» Man respektiere, wahre und unterstreiche «explizit die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre.»
Die Einflussnahme bei der wissenschaftlichen Veröffentlichung von Forschungsergebnissen betreffe vertrauliche Informationen sowie relevante Ergebnisse über Patenten.
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