Die Tendenz ist auch in der Schweiz klar: In den Operationssälen setzt sich die Checkliste durch, Schritt für Schritt haken die Teams die Aufgaben und die heiklen Punkte ab: «Patientenspezifische Risiken», «Bestätigung der Sterilität», «Zählung der Tupfer»… Längst gibt es dafür eine allgemeine Vorlage, die WHO-Checkliste. Und unter anderem drängt die Patientensicherheit Schweiz darauf, dass dieser «Piloten-Check» landesweit und standardmässig eingesetzt wird.
Denn klar: Solch eine Abhak-Liste hilft, Kunstfehler zu vermeiden und die Sicherheit zu erhöhen. Sie schafft eine Kommunikationsbasis innerhalb der Teams und trägt auch zu einer guten Fehlerkultur bei.
Es kommt wohl auch aufs Spital an
Klar? Einen Dämpfer lieferte nun eine Beobachtungsstudie aus dem University of Vermont Medical Center. Dort war die WHO-Checkliste 2012 eingeführt worden. Danach beobachtete ein Chirurgenteam zwei Jahre lang die Resultate und errechnete die Folgen. Mit enttäuschendem Ergebnis, wie es jetzt vermeldete: Bei insgesamt neun überprüften postoperativen Problemen waren die Zahlen nach der Einführung nicht besser als vorher.
Gut 12'000 Eingriffe wurden untersucht. Dabei überprüften die vier beteiligten Chirurgen beispielsweise die Entwicklung bei Mortalität, Sepsis, Atemwegs-Versagen, venösen Thromboembolien, Hämatomen oder Abstossungsreaktionen.
Allerdings: Dass die Zahlen nach Einführung Checkliste nicht besser waren – so
wandte ein amerikanischer Chirurg ein –, könnte teils auch daran liegen, dass sich einige der genannten Probleme ohnehin nicht per Checkliste bekämpfen lassen. So etwa die Wunddehiszenz oder postoperative Blutungen.
Eine weitere Deutung: Ein Spitzenspital wie die Uniklinik in Vermont hatte wohl schon vor Einführung der WHO-Liste hohe Sicherheitswerte – in anderen Krankenhäusern könnten der Vorher-Nachher-Effekt womöglich greifbarer sein.
Stehen alle dahinter?
Dennoch: Ganz überraschend waren die Resultate ja nicht.
2015 bereits hatte «Nature» gemeldet, dass die Fortschritte in den bisher beobachteten Krankenhäusern «gemischt» seien. Sowohl in Kanada wie in den USA zeigten Analysen, dass die OP-Checklisten Komplikationen oder Todesfälle keineswegs signifikant senken.
- Die Hälfte der über 100 Befragten gaben an, dass leitende Chirurgen und Anästhesisten sich aktiv den Checklisten widersetzten. Dann wird es für den Rest des Teams schwierig, die Aufgaben konsequent zu erledigen.
- Kritik gab es auch an der Checkliste selbst: schlechte Formulierungen, zeitaufwändig, ungeeignet für bestimmte Verfahren.
- Ein Viertel der Befragten bemängelte, wie die Checkliste administrativ eingeführt worden war: zu wenig Ausbildung und Feedback, mangelhafter Einbezug der betroffenen Akteure.
- Checklisten wurden in einer Studie zwar in 97 Prozent verwendet, aber nur zu 62 Prozent vollständig abgeschlossen.
Wer ist schludrig? Wir etwa?
Kurz: Es kommt wieder mal auf den richtigen Gebrauch an. In der erwähnten Studie aus Vermont wurden die Chirurgen, Anästhesisten und Pflege-Profis auch gefragt, wie sie mit ihrer Checkliste umgehen. Und siehe da: 70 Prozent der OP-Pfleger und Anästhesisten sagten, die Liste werde sehr rasch durchgehakt. Aber: Nur 42 Prozent der Chirurgen empfanden dies so.
Am Ende aber kam es doch zu einem Vertrauensbeweis: 80 Prozent der Befragten in den OP-Teams wünschten, dass solch eine Checkliste eingesetzt werde, wenn sie selber einmal operiert werden müssen.
Klarere Rollenzuteilung
Eine Zwischenbilanz wurde übrigens unlängst ja auch in der Schweiz gezogen. Im Rahmen eines
Pilot-Programms wurde der Einsatz der OP-Checkliste an diversen Standorten geübt, so am USB, am CHUV, am Spitalzentrum Biel oder in den Kantonsspitälern Baden und Uri.
Wie Patientensicherheit Schweiz, die Mentorin des Programms,
im Sommer 2015 meldete, bewirkte die Checkliste markante Verbesserungen: So verhalf das Hilfsmittel zu klaren Rollenzuteilungen in den Operationssälen oder zu besserer Teamkommunikation – und überhaupt lasse sich ein Kulturwandel feststellen.
Liste als Teamaktivität
Die Anwendung der Checkliste sei in allen Spitälern vermehrt zu einer Teamaktivität geworden. Die Erkenntnisse dahinter halfen zudem, Hierarchie-Gefälle zu überwinden.
«Wir kommunizieren eindeutig klarer, beim Team-Time Out herrscht Ruhe, und wenn ich dem Chirurg etwas sage, schauen wir uns an», sagte Michael Petraschka, Anästhesist am Kantonsspital Uri.
- Bild: PD | Patientensicherheit Schweiz