Neue Ideen: Surflektionen auf Rezept – und Windeln mit SMS

Was tun gegen den Mangel an Hausärzten? Ganz einfach: Man schafft Teilzeit-Spezialisten. Wie entlastet man das Pflegepersonal? Mit der SMS-Windel. Wir fanden weitere Ideen, die auch das hiesige Gesundheitswesen entlasten könnten.

, 4. Dezember 2015 um 10:00
image
  • pflege
  • praxis
  • personalmangel

1. Spezialisten als Grundversorger

Die Idee stammt von Leonard Glass, einem pensionierten Chirurgen. Er stellte fest, dass einerseits ein grosser Mangel an Allgemeinpraktikern in der Grundversorgung besteht, während andererseits viele Spezialisten – etwa Chirugen wie er selbst – aus diversen Gründen ihren Beruf recht früh wieder aufgeben; beispielsweise wegen körperlicher Belastungen, weil die Augen und die Feinmotorik nicht mehr genügen, auch aus psychischen Gründen.
Um diesen Graben zu überbrücken, schuf Leonard Grass ein Programm: «Physician Retraining and Reentry». Damit werden nun Spezialisten um- oder zurückgeschult für die Allgemeinpraxis, wobei sich die Refresh-Ausbildung weitgehend online absolvieren lässt. Und Glass und sein Team helfen auch, neue Funktionen und Positionen auf Teilzeitebene zu finden.

2. Pflege: Hilfe zur Selbstständigkeit

Ein ähnlich gelagertes Projekt wurde übrigens jetzt gerade in Deutschland gestartet: Curassist. Hier geht es statt dem Hausarzt- um den Pflegenotstand – und so soll hier Pflege-Personal den Weg in die Selbstständigkeit gepfadet werden.
Die Erkenntnis dahinter: In Deutschland geben jedes Jahr 60'000 Pflege-Fachkräfte ihren Job auf; sinnvoll und denkbar wäre es ja, einen Teil von ihnen als Selbstständige und Teilzeitkräfte im Beruf zu halten.
image
Curassist ist nun einerseits eine Plattform, die Pflegepersonal vermittelt – insofern ist es ein Projekt wie andere auch. Im Kern des neuen Angebots steht aber auch, dass das Unternehmen den Pflegenden auch die Verwaltung und Bürokratie abnimmt. Jeder kann sich selber darstellen – auf einer eigenen Seite. Und er erhält von Curassist Werbematerial und Werbeunterstützung.

3. Mammographie on the road

Das St. Joseph Hospital in Denver hat ein neues, hochmodernes Gerät zur Krebsvorsorge angeschafft: Es hat vier Räder und fährt durch die Gegend. Der «Mammo-Van» erlaubt 3D-Untersuchungen und soll innert eines Jahr rund 4'000 Frauen untersuchen.
image
Das Gefährt ist gross genug, um einen Warteraum und zwei kleine Umkleidekabinen zu beherbergen. Hinter dem fahrbaren Prophylaxe-Gerät steht zum einen die Idee, das damit eine Versorgung in abgelegeneren Gegend erlaubt werden kann. Zudem können aber auch in dichter besiedelten Gebieten ganze Aktionstage durchgeführt werden – zum Beispiel, indem der Wagen für bestimmte Anlässe, Prävention-Veranstaltungen oder im Rahmen einer Firma eingesetzt wird.

4. Surfen auf Rezept, Bewegung statt Pillen

Wie oft pro Jahr rät ein Hausarzt: «Treiben Sie etwas mehr Sport»? Oder: «Versuchen Sie, sich mehr zu bewegen?» Und dann entlässt er den Patienten – mit freundlichen Grüssen…
Auf der anderen Seite gibt es Anreiz-Programme von Krankenkassen, die Bewegung belohnen sollen (und bekanntlich will in der Schweiz eine Volksinitiative dafür sorgen, dass das Fitness-Abo von der Krankenkasse bezahlt wird).
In der französischen Atlantikstadt Biarritz läuft derzeit ein ebenso simpler wie praktischer Versuch, um dasselbe zu erreichen: 22 Ärzte stellen, sofern sie es für medizinisch angebracht halten, Rezepte für sportliche Tätigkeiten aus – etwa bei kardiovaskulären, psychischen oder orthopädischen Erkrankungen.
Ausgaben für Sport, Einsparungen bei Arzneien
Diese Rezepte können dann bei den zuständigen Instanzen eingelöst werden, beispielsweise in einem örtlichen Fitnessstudio oder – im weltberühmten Atlantik-Wellen-Hotspot – bei einem Surflehrer.
Die Idee dahinter ist, dass dies am Ende die Krankenkasse übernimmt; beim Testlauf in Biarritz sichern derzeit noch die Gemeinde plus zwei Stiftungen die Bezahlung der Rezepte. Das Projekt ist nicht nur getragen von einem präventiven Gedanken – sondern letztlich geht es auch darum, etwas gegen medizinische (beziehungsweise medikamentöse) Überversorgung zu tun.

5. Die Windel ruft per SMS

Das könnte massive Entlastungen schaffen in vielen Pflegesituationen: Forscher des Institute of Bioengineering and Nanotechnology in Singapur haben einen günstigen Sensor geschaffen, der sich an einer Windel anbringen lässt; und wenn die Windel gewechselt werden muss, sendet er ein SMS an eine zuvor eingestellte Nummer.
image
Damit können nicht nur die bekannten Probleme von Hygiene, Ausschlägen und Infektionen angegangen werden – die SMS-Windel entlastet das Personal auch von Kontrollen.
Für die Vermarktung des Geräts gründete das Institut nun eine eigene Firma namens «Wet Alert»; sie soll das Produkt in den nächsten Monaten auf den breiten Markt bringen.

  • Bilder: IBN, Saint Joseph Hospital

Mehr / Quellen:
«Second Acts: A Retired Surgeon Takes on a New Medical Mission», in: «Wall Street Journal»«A Biarritz, les médecins prescrivent aussi de l'activité physique», in: «FranceInfo»«A Biarritz, les médecins prescrivent sur ordonnance des séances de sport aux patients», Beitrag TF1.Mitteilung: «Saint Joseph Hospital Launches New Mammography Van», «BusinessWire»«New system alerts caregivers by SMS when to change patients' diapers», in: «Channel News Asia»
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Neuer Leiter Pflege für die Klinik Zugersee

Michel Bamert wechselt von den Psychiatrischen Diensten Aargau zur Klinik Zugersee als Pflegeleiter.

image

Erstmals arbeiten in einer Medbase-Praxis auch Zahnärzte

Nun hat die Übernahme der 41 Zahnarztzentren konkrete Folgen: Medbase quartiert am Zürcher Hauptbahnhof auch Zahnmedizin ein.

image

Physiotherapeuten vereint gegen «unausgegorene» Tarife

Die Physiotherapeuten fürchten, dass der Bundesrat mit tiefen Behandlungs-Tarifen zeigen wolle, dass er im Gesundheitswesen sparen könne.

image

Empfohlener Ausbildungslohn: Mindestens 2200 Franken

Nun stellen Bündner Spitäler und Heime ihr Pflege-Lernenden selber an. Und zwar zu einem empfohlenen Mindestlohn.

image

Deutsche Ärzte sind unzufrieden mit ihrer Praxissoftware

Schlechte Unterstützung, viele Abstürze und hohe Kosten: Das sind die Gründe, weshalb Ärzte in Deutschland ihre Software schlecht finden.

image

Werden die Ordensschwestern nun doch verkaufen?

Der Verein St. Anna Steinerberg zeigte bislang kein Interesse, die Liegenschaft des im März geschlossenen Alters- und Pflegeheims zu verkaufen. Nun keimt dennoch Hoffnung auf.

Vom gleichen Autor

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.

image

Wer will bei den Helios-Kliniken einsteigen?

Der deutsche Healthcare-Konzern Fresenius sucht offenbar Interessenten für den Privatspital-Riesen Helios.