Margen für Medikamente: Bald 500 Millionen Franken höher als im Ausland

Der Krankenkassen-Verband Santésuisse fordert, dass der Bundesrat jetzt rasch eingreift.

, 16. März 2016 um 12:59
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Der Kassenverband Santésuisse hat einen neuen Vergleich der Handelsmargen für Medikamente erarbeitet. Resultat: Die Margen sind in der Schweiz um 489 Millionen Franken höher als in europäischen Vergleichsländern. 
Die Daten stammen aus dem Jahr 2014. Damals belasteten die Medikamente die Grundversicherung mit rund 5,8 Milliarden Schweizer Franken. Davon flossen 1,7 Milliarden Franken als Handelsmarge an die Apotheken, Ärzte und Spitäler (ambulant). Dabei seien 489 Millionen zu viel bezahlt worden, befindet Santésuisse. 

Es braucht eine Verordnungsänderung

Wie das? Für den Margenvergleich wurden die 9 europäische Referenzländer beigezogen – etwa Österreich, Deutschland oder die Niederlande, auf die sich auch das Bundesamt für Gesundheit für die Preisfestsetzung der Medikamente stützt. Dann wurde die Marge in jenen Ländern als Differenz zwischen Fabrikabgabepreis und dem Publikumspreis ohne Mehrwertsteuer berechnet. Und das Ganze wurde um die unterschiedlichen Niveaus bei Löhnen, Mieten, Zinsen und Preisen der Medikamente bereinigt.
Am Ende lagen die Preise in der Schweiz die erwähnte Gesamtsumme von 489 Millionen Franken darüber, was rund zwei Prämienprozenten entspricht. 
Santésuisse fordert nun eine Anpassung der Margen nach unten. Der Verband verweist aufs Prinzip, dass sich die Margen an den effektiven Kosten bei günstiger Leistungserbringung im jeweiligen Vertriebskanal orientieren sollten – und dass sie sich dem Durchschnitt der europäischen Vergleichsländer annähern müssten. 

«…wodurch die Prämienzahler entlastet werden»

Um die Handelsmargen anzupassen, braucht es eine Verordnungsänderung. Letztmals revidierte der Bundesrat die Margen vor zehn Jahren. 
Auch sei die Empfehlung des Preisüberwachers von 2010 ist nie umgesetzt worden. «Wir erwarten, dass der Bundesrat die bestehende Verordnung rasch anpasst, damit die Margen der verschiedenen Vertriebskanäle einer wirtschaftlichen Leistungserbringung entsprechen, wodurch die Prämienzahler entlastet werden», sagt die Direktorin von Santésuisse, Verena Nold. 
Der letzte Vergleich, veröffentlicht im Oktober 2013, ergab ein Zuviel von 455 Millionen Franken; ein Jahr davor waren es 410 Millionen gewesen, und beim ersten Auslandsvergleich 2011 rund 300 Millionen Franken. Im Wachstum spiegelt sich aber vor allem die allgemeine Entwicklung des Arzneimittel-Verkaufs; der Anteil der «Über-Margeung» an den Prämien blieb in etwa stabil. 

Angriff auf das Apothekennetz?

Die politische Frage dabei ist, wie sehr Margen-Verschiebungen auch Strukturpolitik darstellen. Der Apothekenverband Pharmasuisse warf den Krankenkassen beim letzten Margenvergleich vor, «von den längst bekannten strukturellen Problemen und Fehlanreizen im Gesundheitswesen» ablenken zu wollen.
Die Forderung nach tieferen Vertriebsmargen komme einem Angriff auf das Apothekennetz gleich und gefährde sowohl die Versorgungssicherheit als auch Arbeitsplätze. 
Auf der anderen Seite hatte Santésuisse damals auch die Arztpraxen ins Visier genommen: Es sei stossend und ökonomisch nicht begründbar, dass Ärzte, die Medikamente abgeben, einerseits über eine Tarmed-Vergütung und andererseits über die Handelsmarge honoriert würden.
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