Ist Telemedizin gut? Kommt drauf an, was man hat

Ein Test zeigt: Die Qualität der telemedizinischen Beratung schwankt nicht nur je nach Anbieter. Sondern auch je nach Krankheitsbild.

, 20. April 2016 um 04:00
image
  • telemedizin
  • praxis
Es ist eine der Kernfragen bei der Durchsetzung der Telemedizin im Gesundheitsalltag: Wie verlässlich sind die Fern-Diagnosen überhaupt? Erstaunlicherweise gibt es nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen, welche der Frage en detail nachgingen.
Interessant darum eine Untersuchung, bei der eine Reihe grosser Telemedizin-Anbieter quasi einem Blindtest unterzogen wurden, durchgeführt von Medizinern diverser Fachgebiete in Kalifornien.
Eine erste Aussage dabei: Die Diagnosen, die sich aus der Ferne erlangen lassen, sind grossmehrheitlich präzise. Doch die Qualität schwankt – je nach Anbieter, aber vor allem auch je nach der Krankheit, um die es geht. 

Adam J. Schoenfeld, Jason M. Davies, Ben J. Marafino et al.: «Variation in Quality of Urgent Health Care Provided During Commercial Virtual Visits», in: «JAMA Internal Medicine», April 2016.

Bei diesem Test führten Patientendarsteller knapp 600 Anfragen durch, wobei sie die Symptome von sechs verschiedenen Krankheiten vorwiesen: Knöchelverstauchung, Streptokokken-Pharyngitis, virale Pharyngitis, akute Nasennebenhöhlen-Entzündung, Kreuzschmerzen und wiederholte Harnweginfektion bei Frauen. Bei insgesamt acht verschiedenen Telemed-Anbieter wurden die Ärzte mit diesen akuten Beschwerden konfrontiert.
Die gute Nachricht dabei: Mit grosser Mehrheit arbeiteten die Ärzte präzise. In 75,6 Prozent der Fälle stellten sie die korrekte Diagnose. In knapp 9 Prozent der Fälle waren sie unsicher und gaben keine Diagnose ab – andererseits kam es 89 mal dazu, dass die Ärzte falsch lagen. Macht eine Fehlerquote von knapp 15 Prozent.

Hohe Fehlerquote bei der Pharyngitis

Interessanterweise gab es Beschwerden, bei denen die Abweichungen zwischen den einzelnen Anbietern relativ gross waren – dazu gehörten die virale Pharyngitis und die Nasennebenhöhlen-Enzündung. Bei der Streptokokken-Pharyngitis und den Kreuzschmerzen waren die Diagnosen – quer durch die konkurrierenden Anbieter – viel übereinstimmender.
Die Krankheit, bei der die besten Werte erzielt wurden – also am meisten Telemedizin-Ärzte die richtige Diagnose stellten – war die weibliche Harnwegsinfektion. Recht breit indessen war die Bandbreite bei der Streptokokken-Pharyngitis – mit entsprechend höherer Fehlerquote.
Namentlich nennen Schoenfeld et al die gestesteten Telemedizin-Firmen nicht: Es handelte sich einfach um die acht Marktführer in den Vereinigten Staaten. Feststellbar waren aber schon deutliche Unterschiede zwischen dem Spitzenreiter, der über alle Test-Patienten gesehen zwischen knapp 90 und 100 Prozent richtig lag, und der unsichersten Firma, wo die Diagnosen teils nur zu gut 50 Prozent stimmten.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Der Tardoc soll 2026 in Kraft sein

Zugleich genehmigte der Bundesrat die Einführung der ambulanten Pauschalen – im Grundsatz.

image

Taxpunkte: Teil-Einigung in der Ostschweiz

Die Ärztegesellschaften und die HSK beschliessen 3 Rappen höheren Taxpunktwert.

image
Kommentar von Anne-Geneviève Bütikofer und Verena Nold

Ja zum neuen Arzttarif – aber nur mit ambulanten Pauschalen

Ein neues ambulantes Tarifsystem muss Pauschalen mit dem Einzelleistungstarif Tardoc kombinieren. Nur so lässt sich die Effizienz im Gesundheitswesen steigern.

image

Was kostet der Leistungsausbau? Keine Ahnung

Was sind die finanziellen Folgen des Leistungsausbaus in der Grundversicherung? Der Bundesrat will das nicht wissen.

image

Gerhard Pfister will es wissen: Arbeiten Ärzte 24 Stunden pro Tag?

In seinem Einsatz für die «Kostenbremse» nimmt sich der Mitte-Präsident die Minutage vor. Zumindest rhetorisch.

image

Ihr neuer Standort für Gesundheit und Erfolg

Willkommen im WORKPLACE POSTFINANCE ARENA in Bern, wo Sport und Business aufeinandertreffen!

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.