«Geld zurück» bei Arzneimittel-Preisen: Die Kassen als Bremser

Man schimpft über zu teure Pharmapreise – aber wenn die Industrie flexiblere Modelle testen will, blockieren die Versicherer: Es ist ihnen offenbar zu kompliziert.

, 7. September 2015 um 10:20
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Auf den ersten Blick wirkt die Sache logisch, ja fast wie ein Trick zur Lösung des Gordischen Knotens bei den Medikamentenpreisen: Mehrere Vertreter von «Big Pharma» brachten in jüngster Zeit die Idee einer «Geld zurück»-Medizin ins Gespräch. 
Das heisst: Wenn ein Mittel wirkt und insbesondere dazu beiträgt, dass die Patienten beispielsweise kürzere Spitalzeiten aufweisen, erhält die Pharmaherstellerin auch einen höheren Preis. Wirkt es weniger, so ist der Preis entsprechend niedriger.

«In einem frühen Stadium»

Und so bemerkte Roche-Chef Severin Schwan kürzlich in einem Interview: «Wir versuchen, mit den Kassen neue Preissysteme zu finden. Entweder mit einem Plafond, was man für eine Therapie ausgeben kann. Oder mit einer Art Geldzurück-Garantie». Aber da sei man in einem frühen Stadium.
Novartis startete allerdings schon einen vielbeachteten Versuch – und zwar beim Herzinsuffizient-Mittel Entresto (LCZ 696), das im August die FDA-Zulassung erhielt. Das Medikament hat das Potential zum milliardenschweren «Blockbuster», andererseits steht es im Konkurrenzkampf mit viel billigeren Medikamenten (die allerdings offenbar deutlich weniger effizient sind).
Deshalb offerierte Novartis den Anbietern, dass sie Entresto zu einem günstigen Preis bekommen – jedoch einen «Nachschlag» bezahlen, wenn sich herausstellen sollte, dass das Novartis-Mittel den Bedarf an teuren Spitalaufenthalten senkt.

«Das ist zu kompliziert»

Und jetzt? Wie kommt das an? Joe Jimenez, der Konzernchef von Novartis, gab eine Antwort: Man habe den Kassen solch einen erfolgsabhängigen Preis angeboten, aber «nur wenige Versicherer haben sich auf das Thema eingelassen», sagte er in einem grossen Interview mit «Le Temps». Weshalb? «Sie haben uns gesagt, das System sei zu kompliziert und dass ein Durchschnittspreis – den wir schliesslich bei rund 4'500 Dollar pro Jahr festgelegt haben – ihnen das Leben weniger verkompliziert als ein Mechanismus, der die Effizienz Fall für Fall kontrollieren würde.»
Dennoch, so Jimenez, bleibe die individualisierte Preisfestlegung ein Weg, dem man folgen müsse. Etwa 10 bis 15 Prozent der Novartis-Arzneien hätten bereits einen Mechanismus, bei dem der Preis die therapeutische Wirkung berücksichtige. «Und dieser Anteil wird in den kommenden Jahren steigen.» 
Denn sollte hier nichts ändern, dann explodierten die Gesundheitskosten mit der alternden Bevölkerung. Es liege also an der Pharmaindustrie, neue Preisansätze zu finden, welche die Vergeudung von Medikamenten zu verhindern helfen.
«Allerdings», so Jimenez, «sind wir weit davon entfernt davon, die Zustimmung der Versicherer zu gewinnen zu diesem System, das auf Effizienz aufgebaut ist.» 
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