EPD: Die Chefs sind kritischer als das Medizinpersonal

Eine Umfrage zeigt: Front-Mitarbeitende sehen mehr Nutzen und Effizienzsteigerung durch das elektronische Patientendossier als ihre Chefs, die IT- oder Medizintechnik.

, 22. Februar 2021 um 09:52
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Nur jeder zweite Spital-Mitarbeitende ist überzeugt, dass das elektronische Patientendossier (EPD) den Patientinnen und Patienten einen Nutzen bringen werde. Dies geht aus einer Befragung der Unternehmensberater von Synpulse hervor. Ein Drittel erwartet vom EPD keinen Mehrwert und der Rest machte hierzu keine Angaben. 
Befragt wurden 300 Mitarbeitende aus 26 Spitälern: Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte, Mitarbeitende aus IT, Unternehmensentwicklung und auch Spitaldirektorinnen und Spitaldirektoren.

IT erwartet am wenigsten Mehrwert für Patienten

Je nach Berufsgruppe gibt es unterschiedliche Sichtweisen: Befragte aus den Bereichen Medizin und Pflege erwarten mehrheitlich einen Zusatznutzen für ihre Patienten. Deutlich weniger sind es hingegen in den Geschäftsleitungen. Und am wenigsten scheint das Vertrauen in einen Nutzen in den Bereichen IT und Medizintechnik gegeben zu sein: Hier wartet nur etwas mehr als ein Drittel der Befragten durch das EPD Mehrwerte für den Patienten.
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Screenshot Synpulse

IT und Direktion kennen die Herausforderungen besser

Ein ähnliches Bild ergibt sich laut Synpulse-Umfrage bei der Frage nach den Effizienzsteigerungen durch das EPD und der Verbesserung der täglichen Arbeit: Während die Hälfte der Befragten aus Medizin und Pflege von einer Verbesserung ausgeht, glaubt nur ein Drittel der Geschäftsleitung und der IT oder Medizintechnik an einen Effizienzgewinn. Bei den Mitarbeitenden der Unternehmensentwicklung ist es noch jeder Vierte.
Mitarbeitende, die näher am Patienten arbeiten, nehmen das EPD bezüglich Nutzen und Effizienzsteigerung also deutlich positiver wahr, so das  Fazit der Befragung. Möglicherweise hängt die «kritische Haltung» damit zusammen, dass IT und Direktionen näher an den jeweiligen Umsetzungsvorhaben sind. Dabei kennen sich auch die technischen, prozessualen und regulatorischen Herausforderungen besser, wie die Studienautoren feststellen. 

  • Lesen Sie auch: «Schweizer Spitäler hinken bei der Digitalisierung hinterher»

Zu geringer Nutzen als das grösste Hindernis

Als Hemmnis für die Einführung des elektronischen Patientendossiers bestätigt ein Drittel der Befragten personelle Ressourcenmangel als einen Einflussfaktor. Zu geringe Priorität wird von einem Viertel als Grund angegeben. Zu geringes Projektbudget als erschwerender Faktor hingegen nennt hingegen nur jeder Fünfte. Mehr noch: Fast die Hälfte der Befragten verneint sogar, dass Budgetfragen ein hemmender Faktor sind.
Einen zu geringen Nutzen als Grund, weshalb die Einführung des EPD erschwert wird, sehen weniger überraschend vor allem die Spitalprofis aus IT und Medizintechnik, nämlich 46 Prozent. Ähnlich, mit 43 Prozent, beurteilen dies die Befragten aus der Geschäftsleitung und Spitaldirektion. Hingegen sieht dies nur rund ein Fünftel der Mitarbeitenden aus den Bereichen Medizin und Pflege so.
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Screenshot Synpulse

Start verzögert sich weiterhin

Spitäler, Rehakliniken, Psychiatrien sowie Geburtshäuser und Pflegeheime auf der Spitalliste sind gesetzlich verpflichtet, ihren Patienten künftig EPDs anzubieten. Ursprünglich war die Einführung offiziell per April 2020 geplant. Bereits im Januar 2020 gab in der Synpluse-Befragung aber nur etwa die Hälfte an, das EPD per April 2020 flächendeckend einzuführen – oder das volle Potential auszuschöpfen. Inzwischen ist es zu einer Verschiebung ins Jahr 2021 gekommen. Die verspätete Einführung wird unter anderem mit ausgeweiteten Zertifizierungsverfahren begründet.
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