Preisüberwacher Stefan Meierhans nannte die Zusatzversicherten die «Goldader» der Schweizer Spitäler. Dem widersprach Marco Gugolz von der Hirslanden Klinik Zürich
auf Medinside: Er versuchte zu widerlegen, dass Privatversicherte im Gegensatz zu Allgemeinversicherten mehr Leistungen beziehen. Dabei ist die Datenlage hierfür erdrückend.
Marco Gugolz vermischt zwei zwar verwandte, jedoch unabhängige Problemfelder – einerseits die Margen der Kliniken im Bereich des VVG, anderseits die wissenschaftlich belegte Überversorgung von Patienten mit Zusatzversicherung.
Tristan Struja und Alexander Kutz sind Fachärzte für Allgemeine Innere Medizin und Endokrinologie/ Diabetologie am Kantonsspital Aarau. Neben ihrer klinischen Expertise haben beide jeweils einen Master in Clinical Research an der TU Dresden sowie einen Master of Public Health in Harvard erworben.
Während zurzeit die Verträge für Zusatzversicherungen zwischen den Spitälern und den Versicherungen neu ausgehandelt werden und
gemäss NZZ auch weiterhin «horrende» Preisunterscheide zwischen den Spitälern existieren werden, möchten wir mit dieser Replik den Fokus mehr auf die medizinisch nicht erklärbare Überversorgung von Zusatzversicherten richten.
Da die von Herrn Gugolz angeführte Obsan-Analyse lediglich beschreibende Statistiken enthält, ist eine korrekte Interpretation dieser Daten nicht ohne entsprechendes Fachwissen möglich. So sollte doch der Umstand, dass zusatzversicherte Personen gesünder sind, grundsätzlich dazu führen, dass sie weniger Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nehmen.
«Wir zielen darauf ab, das Bewusstsein für eine klare medizinische Indikation zu schärfen und Qualität vor Quantität zu setzen.»
Preisüberwacher Stefan Meierhans beschrieb
kürzlich im «Blick» diverse Analysen zu orthopädischen Eingriffen, die konsistent zeigen, dass Zusatzversicherte gegenüber Allgemeinversicherten eine zwei- bis dreifach erhöhte Wahrscheinlichkeit haben, sich bei vergleichbarem Gesundheitszustand einem Eingriff zu unterziehen.
Des Weiteren hat eine
Forschungsgruppe des Inselspitals Bern wiederholt gezeigt, dass es deutliche regionale Unterschiede in der Erbringung von Leistungen gibt (Kardiologie, Prostatachirurgie, Orthopädie, Gebärmutterentfernung
et cetera), die sich medizinisch nicht erklären lassen. Auch da bezogen Zusatzversicherte mehr Leistungen, obwohl sie jünger und gesünder waren.
Wir selbst konnten anhand methodisch robust durchgeführter Analysen mit Daten des Bundesamts für Statistik zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für Zusatzversicherte, einen kardiologischen Eingriff zu erhalten, um 11 Prozent erhöht war; im Falle von planbaren Bauchoperationen lag der Wert immer noch um 7 Prozent höher.
All dies überrascht nicht, zumal Untersuchungen aus den Wirtschaftswissenschaften gezeigt haben, dass mengenabhängige Vergütungen zu unerwünschten Verzerrungen führen. Exemplarisch hierbei ist eine
Arbeit von Jeffrey Clemens und Joshua D. Gottlieb, die mit US-Daten zeigen konnten, dass ein zweiprozentiger Anstieg der ärztlichen Vergütung zu einer Mengenausweitung von drei Prozent führte.
Dass solche problematischen Zusammenhänge mittlerweile nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen, zeigt sich in den immer häufigeren Verboten von mengenabhängigen Kickbacks in Branchen wie Banken, Medizin und notabene Versicherungen.
Mit unserer Replik beabsichtigen wir weder einen Zwist zwischen den privaten und öffentlichen Spitälern, noch wollen wir ein Plädoyer gegen die Zusatzversicherung halten. Vielmehr zielen wir darauf ab, das Bewusstsein für eine klare medizinische Indikation zu schärfen, Qualität vor Quantität zu setzen und sich nicht von den ökonomischen Vorzügen leiten zu lassen. Nur so mag es gelingen, auch in Zukunft noch hochwertige medizinische Leistungen finanzieren zu können.