Würden Sie nochmals als niedergelassener Arzt starten? Für eine deutliche Mehrheit der Praxisärztinnen und -ärzte in Deutschland ist die Antwort klar: Nein. In einer grossen Umfrage schüttelten 56 Prozent den Kopf bei dieser Frage; 38 Prozent würden sich wieder niederlassen, wenn sie nochmals die Wahl hätten.
Bei diversen weiteren Fragen erhärtete sich das Bild: Fast drei Viertel der deutschen Praxisärzte – 72 Prozent – machen sich Sorgen, dass sie keine Nachfolgerin oder keinen Nachfolger finden, wenn sie in den Ruhestand gehen. Und über 60 Prozent sagten aus, dass sie darüber nachdenken, vorzeitig auszusteigen.
All dies ergab eine Erhebung, für die das Zentralinstitut kassenärztliche Versorgung sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fast 32'000 Praxis- und Medizin-Zentrum-Besitzer befragt hatten.
«Die Ergebnisse dieser Befragung übertreffen meine schlimmsten Erwartungen», kommentierte KBV-Geschäftsführer Andreas Gassen die Ergebnisse: «Über 60 Prozent der Kolleginnen und Kollegen spielen mit dem Gedanken, aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen vorzeitig aus der Patientenversorgung auszusteigen. Wenn Politik jetzt nicht reagiert, werden wir bereits ab dem kommenden Jahr zunehmende Versorgungslücken haben, nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Städten.»
Die Verbände nützten denn auch intensiv den neuen Begriff «Praxenkollaps», um die drohende Entwicklung zu beschreiben.
«Diese Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Vereinfacht gesagt: Ärzte und Psychotherapeuten wollen schlichtweg ihren Job machen – und das so gut wie möglich», so KBV-Vertreterin Petra Reis-Berkowicz: «Aber miserable Rahmenbedingungen bremsen sie an allen Ecken und Enden aus.»
Stimmungbild aus der Umfrage | Quelle: Studie «Praxiskollaps».
Ob bürokratische Belastung (von 90 Prozent angemerkt), Zeitmangel (73 Prozent), ungenügende Honorierung (85 Prozent), Digitalisierung (von 88 Prozent als Belastung empfunden), Personalmangel (82 Prozent) – die Befragten zeichneten recht einhellig ein Gesamtbild schlechter Rahmenbedingungen.
Im Hintergrund steht allerdings auch, dass die deutschen Ärzte derzeit in heftigen Auseinandersetzungen mit dem Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach (SPD) stehen. Dabei geht es auf der einen Seite um geplante Sparmassnahmen – während die Ärzte auf der anderen Seite auf den Abbau von administrativen Belastungen drängen und eine stärkere Unterstützung fordern.