Mengenausweitung oder Nachfrageschub von Patienten?

Mehr Erstkontakte und mehr Ambulanzfahrten: Nach dem Gastbeitrag der Ärztin Cornelia Meier hat Medinside bei der Solothurner Ärztegesellschaft nachgefragt.

, 23. Juni 2022 um 12:01
image
In einem Gastbeitrag hat Cornelia Meier von der Solothurner Ärztegesellschaft festgestellt, dass die Erwartungshaltung der Prämienzahlenden mit steigender Prämie ebenfalls steigt, frei nach dem Motto: «Wer zahlt, befiehlt». So haben die Erstkontakte in den Praxen um 16 Prozent zugenommen. «Das bedeutet in keiner Weise eine Mengenausweitung seitens der Ärzteschaft, sondern es gab schlicht mehr Nachfrage nach medizinischen Leistungen in den Arztpraxen von Seiten der Patientinnen und Patienten», schreibt sie.
Medinside wollte es nun genauer wissen und hat bei der Solothurner Ärztegesellschaft nachgefragt: Die Zahlen zeigen tatsächlich, dass in den letzten Jahren jährlich rund 2 Prozent mehr Erstkonsultationen seitens der Patienten gewünscht wurde. Als Erstkonsultation gilt der Erstkontakt eines Patienten oder Patientin mit einem bestimmten Arzt pro Jahr.

Folgearztbesuche wachsen nur geringfügig

Und dies gilt für alle Fachspezialitäten: vom Grundversorger über den Psychiater bis hin zu den Spezialisten. Die Verantwortung für diese Steigerung von über 16 Prozent seit 2015 liegt damit bei den Patienten. Die Eckwerte des Kantons Solothurn stützen sich auf Daten aus dem Monitoring des Berufsverbandes der Ärzte FMH.
Es zeigt sich gleichzeitig, dass der Nachfrageschub bereits vor der Corona-Pandemie gestartet ist: Wäre die Ärzteschaft darauf aus, mehr Leistungen zur Aufbesserung des eigenen Portemonnaies zu erbringen, wären auch die Folgekonsultationen gestiegen. Dies ist aber nicht der Fall. Die Anzahl Konsultationen, also alle Folgearztbesuche und auch die indirekten Kontakte eines Patienten, wachsen nur geringfügig im Vergleich zum Erstkontakt. Die sogenannte «Mengenausweitung» durch den Patienten ist gemäss Daten vier Mal intensiver als die, auf welche der Arzt überhaupt einen Einfluss hätte, in dem er weitere Sitzungen auslöst.
Ein ähnliches Bild ergibt sich auch aus den Dringlichkeitsfahrten der Ambulanz im Kanton Solothurn, wie aus der Statistik zu entnehmen ist.
image
Quelle: Solothurner Ärztegesellschaft
Auch die Entwicklung der Kosten im Tarifmodell Tarmed sind im Kanton Solothurn schliesslich eher unterdurchschnittlich. In den letzten fünf Jahren von 2015 bis 2020 ergibt sich ein sehr moderates Bild.
image
Quelle: Solothurner Ärztegesellschaft

Veränderung der Kosten pro Patient und Praxis

Auffällig bleibt lediglich der Zuwachs im Jahr 2021. Mit Blick auf den gesetzlichen Behandlungsstopp im ambulanten Bereich während der Covid-Pandemie, kann das der Nachbehandlung zugeschrieben werden. Und auch das war letztlich kein Bereich, auf den die Ärzteschaft einen Einfluss hätte haben können.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Fünf goldene Regeln, wie Ärzte den Patienten Zahlen verständlich machen

Laborwerte, Risiken, Therapieeffekte – viele Aufklärungsgespräche scheitern an medizinischen Zahlen. Doch wie erläutert man, was eine Behandlung bringt? Ein Vorschlag.

image

«Manche haben unrealistische Erwartungen an die Schweiz»

Die Schweiz erscheint für viele ausländische Ärzte als Traumland. Was es braucht, damit der Jobwechsel gelingt, erklären die Ärztevermittler Francesca und Jan Saner.

image

«Schauen Sie genau, wen Sie heiraten – das meine ich ernst.»

Seilschaften, starre Regeln und intransparente Gehälter bremsen Frauen auf dem Weg zur Chefarztposition. Rückhalt daheim ist entscheidend – und Teilzeit ist problematisch: Das sagt Susanne Renaud, Chefärztin Neurologie am Spital Neuenburg.

image
Gastbeitrag von Esther Wiesendanger

Da sind steigende Gesundheitskosten ja nur logisch

Getrennte Apotheken in Gruppenpraxen, Impfverbote in der Pflege, teure Zusatzkontrollen: Groteske Behörden- und Kassenentscheide lähmen die Versorgung. Sind wir Ärzte eigentlich Komiker?

image

Arzt sein mit Sinn – das ist Medbase.

Der ärztliche Beruf verändert sich – und mit ihm die Erwartungen. Viele Ärztinnen und Ärzte suchen heute mehr als nur eine Anstellung: Sie suchen Wirksamkeit, Gestaltungsspielraum und ein Umfeld, das ihre Werte teilt.

image

Für die Zweitmeinung zu Dr. KI? Kein Problem.

Die meisten Menschen können sich vorstellen, medizinischen Rat bei einem Chatbot zu holen. Und eine klare Mehrheit findet, dass die Ärzte KI-Unterstützung haben sollten. Dies besagt eine Erhebung in Deutschland.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.