Mehrsprachige KI aus der Schweiz: Bald ein Schlüsselinstrument für das Gesundheitswesen

Ein von der EPFL, ETH und dem CSCS entwickeltes Large Language Model wird als Open Source veröffentlicht. Es ist mehrsprachig und lokal einsetzbar – und könnte die Nutzung von KI in Schweizer Spitälern verändern.

, 14. Juli 2025 um 07:45
image
KI-generiertes Bild: EPFL
Es ist eine Schweizer Premiere und soll ein grosser Fortschritt für die Open-Source-Künstliche Intelligenz sein: Ein Sprachmodell (LLM) wird im Spätsommer 2025 zusammen mit seinem Quellcode, seinen Gewichtungen und seinen Trainingsdaten veröffentlicht. Es wurde von der EPFL, der ETH Zürich und dem Swiss National Supercomputing Centre (CSCS) entwickelt und soeben in Genf vorgestellt.
Dieses Projekt ist Teil der Swiss AI Initiative und zielt darauf ab, eine souveräne und offene Infrastruktur anzubieten. Gedacht ist sie für wissenschaftliche, pädagogische, staatliche – und medizinische Anwendungen.

Anwendungen im Gesundheitswesen

Zwar wurde das Modell nicht speziell auf medizinische Daten trainiert, doch seine offene Architektur ermöglicht eine massgeschneiderte Anpassung. «Das Modell der Swiss AI Initiative fungiert als generalistischer Textprozessor, der in der Lage ist, verschiedene sprachliche Aufgaben in einer mehrsprachigen Umgebung wie der Schweiz zu bearbeiten», erklären die Forscher Imanol Schlag (ETHZ) und Martin Jaggi (EPFL) gegenüber Medinside.
«Medizinische Einrichtungen können es anpassen und spezialisieren, während sie die volle Kontrolle über sensible Daten behalten.»
Da das Modell völlig offen ist, kann es geprüft, validiert und für bestimmte Zwecke angepasst werden: zur Unterstützung der Diagnose, zur medizinischen Dokumentation oder zur Kommunikation zwischen Patienten und Pflegefachleuten. «Im Gegensatz zu kommerziellen Modellen ermöglicht es eine Sicherheitsprüfung, eine systematische Bewertung von Verzerrungen und Massnahmen zur Wahrung der Vertraulichkeit - eine entscheidende Anforderung für das Spitalumfeld», fügen die Forscher hinzu.

Mehrsprachig und gesetzeskonform

Das Modell wurde von Anfang an für die Mehrsprachigkeit konzipiert. Es beherrscht mehr als 1'500 Sprachen – ein wesentliches Kriterium für Gesundheitssysteme in multikulturellen Kontexten. Es wird in zwei Grössen (8 und 70 Milliarden Parameter) erhältlich sein, «was einen flexiblen Einsatz auch in begrenzten IT-Umgebungen ermöglicht».
Dank der Open-Source-Natur kann es direkt in der Infrastruktur eines Spitals installiert werden. Dadurch wird sichergestellt, dass die Daten das lokale System nie verlassen. «So können die strengsten medizinischen Datenschutzstandards eingehalten werden, ohne auf externe Cloud-Anbieter angewiesen zu sein», so die Forscher.

Ein Wendepunkt?

Das Modell wurde auf dem Supercomputer «Alps» des CSCS in Lugano trainiert. Es wurde so konzipiert, dass es den Anforderungen der KI im grossen Massstab gerecht wird, unter Einhaltung der Schweizer Datenschutzgesetze und der künftigen europäischen KI-Verordnung.
Die Veröffentlichung dieses Modells könnte einen Wendepunkt in der Art und Weise darstellen, wie Gesundheitsinstitutionen in der Schweiz und darüber hinaus künstliche Intelligenz konzipieren und einsetzen. Transparent, eigenständig, mehrsprachig und hochleistungsfähig könnte diese öffentliche KI zu einem Eckpfeiler der medizinischen Innovation in Europa werden.
Zur Mitteilung der ETHZ

  • digital & ki
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

KI in der Medizin? Klar, kein Problem.

Dr. KI auf dem Vormarsch: Künstliche Intelligenz wird in der Bevölkerung zunehmend akzeptiert – für Diagnosen, Zweitmeinungen und zur Früherkennung. Dies besagt eine repräsentative Erhebung in Deutschland.

image

KSW plant Einsatz von Secondhand-Lizenzen

Um Kosten zu sparen will das Kantonsspital Winterthur gebrauchte Microsoft-Lizenzen beschaffen.

image

Shape sensing roboter-assistierte Bronchoskopie

Eine aktuelle Studie am Universitätsspital Zürich zeigt: Shape sensing roboter-assistierte Bronchoskopie (ssRAB) mit dem Ion Endoluminalsystem erzielt dreifach höhere Diagnoserate bei kleinsten Lungentumoren als herkömmliche Bronchoskopie-Methoden.

image

KI in der Augenheilkunde: Der neue Kollege, den niemand einarbeitet

Künstliche Intelligenz kann Netzhautbilder zuverlässig analysieren. Trotzdem kommt sie im Praxisalltag selten zum Einsatz, wie eine Befragung im DACH-Raum zeigt.

image

Weniger Notfall, mehr Sicherheit: Telemedizin unterstützt Spitex-Teams im Aargau

In einem Pilotprojekt testen Medgate und zwei Spitex-Organisationen den Einsatz von telemedizinischer Expertise in den Wohnungen der Klienten. Sensorikgeräte liefern dabei entscheidende Daten in Echtzeit.

image

Vom Bestellbüro zum Werttreiber

Interview von Unite mit Christian Offergeld, Strategie- und Managementberater für Spitäler bei Unity Schweiz AG , über die notwendige Transformation und Digitalisierung der Beschaffung in Spitälern

Vom gleichen Autor

image

ETH-Team beobachtet erstmals live, wie Grippeviren lebende Zellen befallen

Ein internationales Team unter Leitung der ETH Zürich hat erstmals live und in sehr hoher räumlicher Auflösung dokumentiert, wie Grippeviren in Körperzellen eindringen.

image

Adipositas: WHO vollzieht Kurswechsel

In einer neuen Leitlinie gibt die Weltgesundheits-Organisation grünes Licht für den Langzeiteinsatz von GLP-1-Medikamenten bei Adipositas. Zugleich warnt sie vor Engpässen – und fordert einen regulierten Zugang.

image

Smarte Etikette soll Medikamententransporte sicherer machen

Ein Team der Empa, der EPFL und des CSEM haben eine Sensoretikette entwickelt, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit in Echtzeit misst – damit könnten empfindliche Lieferungen wie Medikamente besser überwacht werden.