So betreiben Pharmafirmen Etikettenschwindel

Otalgan-Ohrentropfen sind Otalgan-Ohrentropfen – könnte man meinen. Doch die Hersteller verkaufen unter diesem Namen ganz Unterschiedliches.

, 1. November 2023 um 06:10
image
Gleicher Name und fast gleiche Verpackung. Doch im linken Produkt hat es pharmakologische Wirkstoffe drin, im rechten nur Salzwasser. | zvg
Machen die Versandhändler Brack, Galaxus und Microspot plötzlich den Apotheken das Geschäft streitig? Sie bieten Ohrentropfen, Schnupfensprays und Hustensirup mit bekannten Namen an.
Doch die Namen täuschen: In den Produkten stecken trotz nahezu identischen Packungen ganz andere Wirkstoffe, und vor allem sind es keine pharmakologischen Wirkstoffe, wie die Konsumentenzeitschrift «Saldo» recherchierte. Es sind also keine echten Arzneimittel und sie müssen deshalb auch nicht von der Aufsichtsbehörde Swissmedic zugelassen werden.
Dafür können die Pharmafirmen unter dem Namen des wirksamen Medikaments anders zusammengesetzte Produkte frei in Online-Shops unters gutgläubige Volk bringen. Bei den Otalgan-Ohrentropfen enthält das echte Arzneimittel schmerzstillendes Procain und Phenazon. Die anderen Otalgan-Tropfen enthalten hingegen nur Salzlösung.

Einige weitere Beispiele

Bisolvon: Den Hustensirup Bisolvon gibt es (links im Bild) mit Eibischwurzel und Honig. Rechts hingegen steckt in der gleich gestalteten Packung der rezeptpflichtige Wirkstoff Bromhexin.
image
Otrivin Plus: Die Packungen unterscheiden sich kaum, beide Male heisst der Nasenspray Otrivin Plus. Doch erst, wer ganz genau schaut, sieht: Der linke Spray enthält nur Meerwasser, der rechte Spray ist ein rezeptpflichtiges Medikament mit dem Wirkstoff Xylometazolin.
image
Auch die Wärmepflaster von Voltaren gibt es doppelt: Einmal als Dolo Patch mit dem Schmerzmittel Diclofenac. Und einmal als Wärmepflaster mit Eisenpulver, das sich erwärmt.
Die Hersteller sagten gegenüber «Saldo», dass die Beschriftungen unterschiedlich seien und sehen deshalb weder eine Verwechslungsgefahr noch einen Etikettenschwindel. Swissmedic schiebt die Verantwortung für allfällige Verwechslungen an die Hersteller ab.

Ach, wie gut, dass niemand weiss…

Zur Steigerung des Umsatzes wenden die Pharmafirmen eine weitere Strategie an, welche das obige Prinzip umgekehrt: Sie verkaufen das genau gleiche Medikament unter zwei Namen – und können damit auch unterschiedliche Preise verlangen. Ein Beispiel ist der Johanniskrautextrakt von Zeller, der die Stimmung aufhellt. Zeller bietet ihn als Rebalance an für 66.90 Franken. Zeller Medical hat das gleiche Produkt als Remotiv im Sortiment – für nur 51.55 Franken.
image
Der Grund für den tieferen Preis: Remotiv wird von der Krankenkasse bezahlt, wenn es der Arzt verschreibt. Der Preis wird vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) festgelegt.
Bei Rebalance hingegen darf Zeller einen beliebigen Preis verlangen – und tut das auch mit einem happigen Aufschlag von 15 Franken.
  • medikamente
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Forscher lassen Zähne nachwachsen

Japanische Forscher haben Zahnknospen entdeckt, welche durch die Hemmung eines Gens zum Wachstum angeregt werden könnten.

image

Apotheker soll in Handel mit Betäubungsmitteln verwickelt sein

Ein Apotheker aus dem Kanton Zürich wird unter anderem verdächtigt, seine Sorgfaltspflicht beim Umgang mit Hustensirup verletzt zu haben.

image

Zum Arzt? In der Romandie jetzt auch in die Apotheke

Eine Konsultation in der Apotheke statt beim Arzt. In der Westschweiz ist das nun möglich. Die Kritik: Das ist gefährlich und letztlich teurer.

image

Medikamente: «Konzeptlose Preissenkungen sind unverantworlich»

Santésuisse nannte sechs Punkte, bei denen der Bundesrat Kostensenkungsmassnahmen hätte ergreifen können. Drei davon betreffen Medikamente.

image

Jetzt muss Sandoz Geld verdienen

Ein weniger nobler Geschäftssitz und mehr Nachahmer-Präparate von Biotechmedikamenten: So will der Sandoz-Chef die neue Firma rentabel machen.

image

Medikamenten-Nebenwirkungen: Tausende von Spitaleinweisungen

Trotz gesetzlicher Meldepflicht wird in der Schweiz nur ein Bruchteil der Hospitalisierungen aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen gemeldet. Dies zeigt erstmals eine nationale Studie.

Vom gleichen Autor

image

Urologie: 44 Spitäler wollten – diese 27 dürfen

In der Hochspezialisierten Medizin (HSM) wurden neue Leistungsaufträge vergeben – diesmal für zwei komplizierte Urologie-Operationen.

image

Nun steigt der Bestsmile-Gründer auch bei der Fortpflanzung ein

Ertan Wittwer hat schon viele Praxisketten gegründet. Seine neuste Idee: ein Unternehmen, das Fortpflanzungsmedizin anbietet.

image

Schweizer Ärzte haben zu wenig Zeit und fühlen sich überlastet

Der Personalmangel im Gesundheitswesen habe schwere Folgen, finden die Ärzte. Sie sorgen sich um die Patienten – und um die eigene Gesundheit.