Wünschen Spitalangestellte wirklich 67-Stunden-Wochen?

Der Spitalverband HPlus will möglichst schnell erreichen, dass das Spitalpersonal «flexibler» arbeiten kann. Doch besonders Spitalärzte wollen das gar nicht unbedingt.

, 22. Januar 2020 um 15:46
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Die Arbeitszeit flexibler einteilen: Das tönt für viele Angestellte verlockend. Flexible Arbeitszeit bedeutet aber nicht nur mehr Freizeit. Sondern unter Umständen auch Wochen mit bis 67 Arbeitsstunden – eine Horrorvorstellung für Spitalärzte und -ärztinnen, die schon jetzt oft über 50 Stunden im Einsatz sind. Kein Wunder wehrt sich der Verband der Assistenz- und Oberärzte (VSAO) gemäss einem Bericht der «Berner Zeitung» gegen das forsche Vorgehen des Spitalverbands HPlus.
Parlamentarier im Bundeshaus arbeiten daran, das Arbeitsgesetz zu flexibilisieren. Konkret heisst das: Wöchentliche Höchstarbeitszeiten sollen nicht mehr gelten, sondern mit Jahresarbeitszeit ersetzt werden.

Liberalisierungen sind HPlus willkommen

Dieses Ansinnen stösst bei Hplus auf grosse Unterstützung. Bereits vor einem Jahr nahm der Verband lobend Stellung zur geplanten Flexibilisierung der Arbeits- und Ruhezeiten in einem Jahresarbeitszeitmodell und zum Verzicht auf die Erfassung der Arbeitszeit. «Diese Liberalisierungen des Arbeitsgesetzes sind willkommen», hiess es damals.
Sie seien für die Spitäler, Kliniken und Pflegeinstitutionen ein Bedürfnis. Denn so liesse sich mehr Spielraum für die Arbeitsgestaltung, Planung und Ausführung gewinnen. Mit ihren 24-Stunden-Betrieben benötigten diese Institutionen ein einfacheres, logischeres und den aktuellen und zukünftigen Betriebsbedürfnissen entsprechendes Arbeitsgesetz, das Spielraum für die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und des Betriebs zulasse, schrieb HPlus in seiner Stellungnahme.

Heute zu starre Regeln?

Der Verband kritisierte das heutige Arbeitsgesetz heftig: Mit seinen starren Regelungen verstärke es den Fachkräftemangel und erhöhe unnötig die Personalkosten. Kleine Betriebe müssten oft kostspieliges Extrapersonal anstellen, damit im 24-Stunden-Schichtbetrieb die jetzt gültigen Vorgaben eingehalten werden könnten.
Der VSAO hat aber grosse Bedenken, sollte die Arbeitszeit in Spitälern künftig flexibler werden. Laut «Berner Zeitung» befürchtet Verbandspräsidentin Anja Zyska, dass Ärzte und Ärztinnen in den Spitälern noch länger als heute im Einsatz sein müssten. Mit Jahresarbeitszeiten könnten vor allem die Arbeitgeber von der Verfügbarkeit des Personals profitieren. Das Personal hingegen leide darunter, dass die Arbeitszeiten schlechter planbar seien.

Auch ein Bedürfnis der Angestellten?

HPlus sieht das nicht so: Die Sicherheit und der Gesundheitsschutz würden nicht gefährdet. Der Verband ist sogar vom Gegenteil überzeugt: Wenn der Personaleinsatz optimiert werde, liessen sich der Fachkräftemangel abbauen und Kosten sparen. Im Jahresdurchschnitt dürfe die wöchentliche Arbeitszeit nicht erhöht werden.
Das Modell der Jahresarbeitszeit und der Verzicht auf Zeiterfassung entspreche nicht nur dem Bedürfnis der Spitäler, sondern auch jenem der Angestellten. Der Verband will deshalb möglichst rasch die Regeln lockern und Erfahrungen mit der Jahresarbeitszeit sammeln.

Im ersten Schritt sind Pflege- und Arztpersonal noch nicht betroffen

Vorerst würden die längeren Höchstarbeitszeiten zwar weder das Pflegepersonal noch für Assistenz- und Oberärzte gelten. Doch in einem weiteren Schritt könnte die Flexibilisierung auch auf weitere Berufsgruppen ausgedehnt werden, stellt sich HPlus vor.
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