«Wir sprechen Ärzte an, die sonst aus dem Beruf ausscheiden würden»

Wie attraktiv ist die Telemedizin für Ärzte? Wer arbeitet in diesem Bereich? Was sind die Trends? Keiner weiss das so gut wie Andy Fischer. Der Chef und Gründer von Medgate im Interview.

, 5. August 2016 um 12:45
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Herr Fischer, wie schwer oder wie leicht hat es eigentlich Medgate, ärztliches Personal zu finden?
Auch Medgate spürt bei der Personalsuche den Fachkräftemangel beim ärztlichen Personal. Daher versuchen wir mit innovativen Arbeitsmodellen geeignete Ärzte anzusprechen.
Also beispielsweise ausgebaute Home-Office- und Teilzeit-Angebote. Wie entscheidend sind solche Faktoren bei der Anstellung?
Dass wir unseren Mitarbeitenden die Möglichkeit bieten, im Home-Office oder auch in einem kleinen Pensum zu arbeiten, ist sicher ein grosser Vorteil. Damit sprechen wir auch Ärztinnen und Ärzte an, die ohne diese Möglichkeit wohl aus dem Beruf ausscheiden würden, zumindest vorübergehend. Zum Beispiel, weil sie sonst Familie und einen anspruchsvollen Beruf nicht unter einen Hut bringen könnten.
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    Andy Fischer

    Dr. med. Andy Fischer ist Chief Executive Officer und Managing Partner von Medgate, dem grössten Telemedizin-Anbieter der Schweiz. Er gründete das Unternehmen 1999 mit Lorenz Fitzi und André Moeri, inzwischen hält auch Aevis Victoria eine 40-Prozent-Beteiligung. — Medgate beschäftigt gut 320 Personen, davon etwa 100 Ärztinnen und Ärzte. Pro Tag werden im Medgate Telemedicine Center bis zu 5'000 Konsultationen durchgeführt. Ferner betreibt das Unternehmen Ärztezentren in Solothurn und Zürich, weitere sollen bald folgen. — Zudem sitzt Andy Fischer im Stiftungsrat der Merian Iselin Stiftung sowie im Verwaltungsrat des Universitäts-Kinderspital beider Basel UKBB.

Wurden flexible Arbeitsmöglichkeiten wichtiger in den letzten Jahren? Man hört ja aus den Spitälern, dass die Anforderungen des jüngeren Personals in dieser Beziehung tatsächlich spürbar ansteigen.
Ja, auch wir stellen ganz klar ein zunehmendes Bedürfnis nach flexiblen Arbeitsmöglichkeiten fest. Viele Ärztinnen und Ärzte wollen beispielsweise Familie und Beruf unter einen Hut bringen oder nebst dem Beruf auch Zeit für Freunde, Hobbies und Reisen haben.
Wieviele Ihrer ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in einem Teilzeit-Pensum beschäftigt?
Bei Medgate arbeiten 66 Prozent der Ärzte in einem Teilzeitpensum.
Medgate betreibt auch Ärztezentren. Gibt es die Möglichkeit, zwischen beidem zu «pendeln» – Telemedizin und Ärztezentrum?
Ja, das bieten wir unseren Mitarbeitenden an. Dadurch können Ärztinnen und Ärzte beispielsweise morgens im Ärztezentrum einer Praxistätigkeit nachgehen und nach dem Mittag noch im Home-Office als Telemediziner tätig sein. Selbstverständlich ist dies auch tageweise möglich.
Gibt es sonst noch wichtige Kriterien dafür, dass jemand Medgate wählt und hier arbeiten möchte? Worin ist Medgate einmalig – aus Sicht von Bewerbern?
Die telemedizinische Arbeit ist für viele der bei uns tätigen Ärzte eine neue und moderne Art der Medizin. Sie bietet ihnen daher eine neue Herausforderung. Ausserdem schätzen die Ärztinnen und Ärzte, dass sie sowohl im Telemedicine Center als auch in unseren Ärztezentren sehr selbstständig arbeiten können, aber zugleich in ein interdisziplinäres Team eingebunden sind, wo sie sich untereinander austauschen können. 
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Medgate auf der Carefair

Medgate gehört zu den Ausstellern der Carefair – der ersten Jobmesse für das Schweizer Gesundheitswesen. Sie findet vom 25. bis 28. Oktober in Zürich statt. Im Vorfeld der Carefair präsentiert Medinside Interviews mit ausgewählten Personal-Experten der Schweizer Gesundheitsbranche.
Ferner unterstützt Medgate ihre Ärzte bei der Fortbildung mit internen und externen Angeboten und bietet ihnen Karrieremöglichkeiten.
Wo suchen Sie Personal? Welche Wege sind nach Ihrer Erfahrung am erfolgreichsten?
In den für Ärzten spezialisierten Printmedien, via Inserate auf Jobportalen, durch Direktansprachen, also Headhunting, oder via Stellenvermittlungen. Aber auch persönliche Netzwerke unserer Ärzteschaft, die Präsenz an Kongressen oder Mitarbeiterwerbung helfen uns bei der Personalsuche. Am erfolgreichsten sind (bisher) die klassischen Print-Inserate in den Ärztezeitungen.
Welche Funktionen beziehungsweise Berufe sind sonst noch sehr gesucht bei Ihnen? Wo hat es noch Engpässe?
Nebst ärztlichem Personal suchen wir auch Medizinische Praxisassistentinnen – sowohl für unsere Ärztezentren als auch als Telemedizinische Assistentinnen im Telemedicine Center. Auch die MPA haben bei Medgate die Möglichkeit, in einem Teilzeitpensum sowie als Telemedizinische Assistentinnen von zuhause aus zu arbeiten.
Wie kann Sie jemand überzeugen, dass er oder sie passt? Was sind für Sie entscheidende Punkte bei den Job-Kandidaten, abgesehen von den fachlichen Aspekten? Worauf achten Sie im Hinblick auf den «Spirit» beziehungsweise die Kultur von Medgate?
Wir setzen auf medizinisches Fachpersonal, das über sehr gute kommunikative Fähigkeiten verfügt und den Patienten ins Zentrum stellt. Unsere Mitarbeitenden sollten zudem unsere Idee der Integrierten Versorgung und der kollaborativen Medizin teilen und Freude an Innovationen im Gesundheitswesen haben.

Zu den offenen Stellen bei Medgate

Ebenso müssen unsere Mitarbeitenden versiert im Umgang mit modernen Informations- und Kommunikationsmitteln sein – beispielsweise im Bereich der elektronischen Dokumentation.
Wie geht es weiter? In den USA entstehen ja jetzt neue Ärztenetzwerke mit App-basierten Systemen: Die Ärzte melden sich an, wenn sie Zeit haben, und besuchen auf Anfrage die Patienten gleich zuhause. Würde so etwas auch hierzulande funktionieren?
Für die jüngere Bevölkerung – «Generation Y» und folgende – dürften solche flexiblen Möglichkeiten alltäglich werden, womit sie in Zukunft sicherlich an Bedeutung gewinnen. Allerdings muss bei Modellen wie dem Beschriebenen auch darauf geachtet werden, dass sie für den Patienten gut funktionieren. Nur dann können sie sich durchsetzen.
Sehen Sie sonst noch Modelle am Horizont, welche die Arbeitswelt der medizinischen Berufe stark verändern werden?
Grundsätzlich wird der aktuelle Trend der Digitalisierung viele neue Modelle und Möglichkeiten im Bereich der medizinischen Berufe mit sich bringen. Wie genau diese aussehen werden, muss sich aber erst noch zeigen.
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