Sylvia Röllin, Oberschwester an der Kinderklinik des Berner Inselspitals, hatte genug: Sie schrieb an die Oberin des Inselspital, Johanna Lais, sie solle doch bitte die Haubentragpflicht abschaffen.
Lästig beim Arbeiten
Gerade in der Arbeit mit Kindern sei das Tragen der Haube «wirklich oft lästig» und alle anderen Kinderspitäler hätten die Haube bereits abgeschafft.
Sie legte ihrem Schreiben 100 Unterschriften von anderen Pflegerinnen bei, welche sich dazu bekannten «gegen die Hauben» zu sein. Das war 1973. Die Medizinsammlung des Inselspitals Bern dokumentiert das so genannte Haubenproblem.
Beruf und nicht christliche Nächstenliebe
Krankenpflegerinnen trugen damals eine Haube, weil früher vor allem Ordensschwestern den Beruf dominierten und diese das Kleid, die Schürze, eine Brosche und die Haube als ihre Uniform trugen.
Eine neue Generation von Pflegeschülerinnen verstand ihre Tätigkeit aber in erster Linie als Beruf – und nicht mehr als christliche Nächstenliebe. Sie begann sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen.
Gestärkt, gefaltet - und einfach unpraktisch
Die Schwesterntracht war umständlich. Die Hauben mussten gewaschen, gestärkt und korrekt gefaltet werden. Und man entdeckte auch: Die Haarbedeckung war gar nicht unbedingt so hygienisch und keimfrei.
Zurück zur Oberin Johann Lais: Sie wollte die Hauben nicht abschaffen. Denn sie waren für sie erstens ein Statussymbol der ausgebildeten Schwestern, zweitens bändigten sie lange Haare, und drittens warf sie den aufbegehrenden Schwestern einen «falschen Freiheitsbegriff» vor.
Rechtlich nicht durchsetzbar
Schliesslich mussten sich der Direktor der Kinderklinik, Ettore Rossi, und der Direktor des Inselspitals, François Kohler, mit dem Thema auseinandersetzen. Kohler beendet die Diskussion um die Haubentragpflicht, indem er nüchtern feststellte: «Wir können es nicht durchsetzen.»
Tatsächlich hatte das Inselspital keine rechtliche Handhabe, das Pflegepersonal zum Tragen einer Haube zu verpflichten. Kohler befürchtete deshalb, dass die Weisungen nicht eingehalten und damit die Autorität der Leitung des Pflegedienstes und der Direktion untergraben würden.
Bis 1980 noch vereinzelt Hauben
Den Schwestern des Inselspitals stand es ab dann frei, eine Haube zu tragen oder nicht. Manche trugen sie weiter und auch die traditionellen Sonntagstrachten waren bis in die 1980er Jahre im Gebrauch, bis sich die funktionale und normierte Arbeitskleidung endgültig durchsetzte.
Das digitale Medizinmuseum des Inselspitals
Seit ein paar Monaten hat das Berner Inselspital ein digitales Medizinmuseum. Warum digital? Eigentlich wollte das Spital vor vier Jahren ein echtes Medizinmuseum eröffnen. Doch das Projekt wurde gestoppt.
Nun werden die 10'000 Exponate der beiden Sammlungen der Inselspital-Stiftung und des Instituts für Medizingeschichte (IMG) der Uni Bern digital präsentiert. Der Vorteil des digitalen Medizinmuseum: Es stellt nicht Äusserlichkeiten zur Schau, sondern erzählt Geschichten zur Medizin am Inselspital.
Der Unterschriftenbogen von Sr. Sylvia Röllin und ihren Mitstreiterinnen. | Aus der Medizinsammlung Inselspital Bern