Waadt: Streit um Lohngrenzen für Spitalärzte

Der Gesundheitsdirektor will die Löhne der Kaderärzte deckeln. Jetzt musste er sich vor dem Parlament dafür rechtfertigen – und nahm gleich diverse Planungslücken in den Spitälern aufs Korn.

, 2. November 2016 um 09:23
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In den Spitälern des Waadtlandes herrscht bekanntlich dicke Luft: Gesundheitsdirektor Pierre-Yves Maillard (SP) will die Gehälter der Spitalärzte begrenzen; kein Kaderarzt an einem öffentlichen Haus soll dereinst mehr als 550'000 Franken verdienen. Die Mediziner wiederum – vertreten durch Ärztegesellschaft und Verband der Spitalärzte – konterten mit einem offenen Brief, worin sie dem Regierungsrat unter anderem autoritäres Gebaren vorhielten und vor Qualitätsverlusten warnten. 

Reiner Populismus?

Gestern musste sich Maillard nun dem Parlament stellen – angestossen durch eine Interpellation einer FDP-Volksvertreterin. Die Bürgerlichen warfen dem SP-Minister unter anderem vor, die Strukturen zuwenig zu berücksichtigen. Maillard habe seine 550'000-Franken-Idee eingebracht, ohne überhaupt die Spitäler befragt zu haben. Obendrein betreffe die besagte Summe nur ganz wenige Ärzte, sagte Jean-Marie Surer (FDP): «Es lohnt sich fast nicht, darüber zu reden. Es sei denn, man macht auf Populismus.»
Doch Pierre-Yves Maillard – so berichtet «24 heures» – blieb in der Sache hart: 550'000 Franken seien überhaupt nicht restriktiv. Es gehe auch nicht darum, alle Spitäler über einen Leisten zu schlagen: Vielmehr soll ein voll angestellter Arzt nicht länger einen Tag in eigener Praxis tätig sein können – und dabei noch die Infrastruktur des Spitals nutzen.

«Das einzige, was Sie mir vorwerfen können…»

Das gesamte Projekt drehe sich um eine Harmonisierung der Arbeitsbedingungen der Kaderärzte, und die sei dringend nötig. «Das einzige, was Sie mir vorwerfen können, ist, es nicht früher getan zu haben.»
Besonders bemerkenswert dabei: Vor dem Grand Conseil sprach Maillard diverse Planungsprobleme in den öffentlichen Spitälern aus. «Wenn mir ein Spitaldirektor gesteht, dass er nicht einmal weiss, ob ein zu 80 Prozent angestellter Arzt häufiger präsent ist als ein anderer Angestellter mit 60-Prozent-Vertrag, scheinen mir gewisse Formalitäten nötig, um dies zu erfahren.» Es kenne auch Fälle, wo das OP-Pflegepersonal nicht wisse, wann es nach Hause könne, da es keine Pläne gibt. 

«Irgendwie schockierend»

In der Debatte im Kantonsparlament zeigten sich gewisse Annäherungen von Links und Rechts. Jean-Michel Dolivo von La Gauche warf den Bürgerlichen vor, «die Privilegien einer Minderheit zu verteidigen»; derweil stellte Jean-Luc Chollet von der SVP fest, dass es für die Prämienzahler «irgendwie schockierend» sei, gewisse Ärzte zu finanzieren, «die deutlich mehr verdienen als die Bundesräte».
Am Ende sprach sich eine Mehrheit des Rates aber für den von der FDP-Interpellantin Christine Chevalley vorgetragenen Wunsch aus – nämlich die Kantonsregierung das Dossier «partizipativ» angeht und «eine konsensuelle Lösung» sucht. 

Es geht auch um die Grundversorger

Diese Verhandlungen mit der Ärzteschaft beginnen in der nächsten Woche.
Im Hintergrund steht, dass diverse SP-Gesundheitspolitiker die Löhne sowohl von Spitalärzten als auch von ambulanten Versorgern ins Visier genommen haben. Auf nationaler Ebene steuert der Freiburger Nationalrat Jean-François Steiert in diese Richtung. Er verweist darauf, dass Ärzte rund 90 Prozent ihres Gehaltes aus den Grundversicherungen beziehen; und mehr als 500’000 Franken für ein aus der Grundversicherung bezahltes Salär seien «unanständig», so Steiert unlängst in «Le Matin Dimanche». Andererseits seien 100’000 Franken für einen Arzt auf dem Land zu wenig. 
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