Unispital gesteht: «Vorwürfe treffen weitgehend zu»

Bisher waren es nur Vermutungen, nun ist es Gewissheit: Im Universitätsspital Zürich hat ein Klinik-Direktor betrogen, und die Klinik-Administration hat zu hohe Rechnungen gestellt.

, 15. Dezember 2020 um 15:43
image
  • universitätsspital zürich
  • spital
  • zürich
  • versicherer
Umfassendes Geständnis des Universitätsspitals Zürich (USZ): «Die Vorwürfe treffen weitgehend zu», schreibt das Spital in einer Mitteilung. Wie vermutet, hat Martin Rücker, der ehemalige Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG), Patienten des USZ seiner eigenen Privatpraxis zugewiesen.

Behandlung im USZ - Geld in die eigene Tasche

Doch nicht nur das: Die Privatpraxis erwies sich als reines Abrechnungskonstrukt. Denn die Behandlungen fanden in denselben Räumlichkeiten und mit demselben Personal wie die ordentlichen ambulanten Behandlungen des USZ am Zentrum für Zahnmedizin (ZZM) statt. Mit einem Unterschied: Kassiert hat der Direktor. Das USZ ging leer aus.
Durch dieses Konstrukt hat sich der Klinikdirektor auf Kosten des USZ bereichert. Nicht geschädigt wurden die Krankenkassen und die Patienten. Für sie spielte es keine Rolle, an wen die Behandlungskosten überwiesen wurden.

Strafanzeige gegen den Direktor

Zu diesen Schlüssen kommt eine Anwaltskanzlei, die im Auftrag des USZ die Privatpraxis des Klinikdirektors genau unter die Lupe genommen hat. Der Klinikdirektor ist mittlerweile nicht mehr am Unispital tätig.
«Wir haben aus dem Fall unsere Lehren gezogen und umgehend mit der Aufarbeitung begonnen», schreibt das USZ. Wie von der beauftragten Anwaltskanzlei empfohlen, reichte das USZ eine Strafanzeige gegen Martin Rücker ein. Das USZ prüft ausserdem, ob es vom Klinikdirektor Geld zurückfordern kann.

Mit «interdisziplinären Arztgesprächen» Umsatz gemacht

Ein zweites Geständnis des USZ betrifft die Klinik für Herzchirurgie: Das Spital hat ganz gewöhnliche Arztvisiten als teure «interdisziplinäre Arztgespräche» abgerechnet. Medinside berichtete hier über den Verdacht.
Er hat sich nun erhärtet: Über die letzten rund drei Jahre habe die Klinikadministration systematisch solche bis zu 1000 Franken teuren «interdisziplinärem Arztgespräche» erfasst, obwohl sie im Klinikinformationssystem gar nicht eingetragen waren.

Täglich ein Gespräch

Die interne Abklärung des USZ hat gezeigt, dass die Klinikadministration diese Arztgespräche bei allen zusatzversicherten Patienten auf die Rechnung setzte – und zwar für jeden Tag auf einer Intensivstation oder einer Intermediate-Care-Abteilung.
Zwar finden auf diesen Abteilungen tatsächlich täglich Visiten mit verschiedenen Ärzten statt. Die Honorarposition ist aber nicht für solche Standardgespräche vorgesehen.

Ärzte wussten nichts

Wichtig ist: Die Ärzte, die diese Visiten durchgeführt haben und entsprechend auf der Abrechnung aufgeführt wurden, wussten laut USZ nichts von der Verrechnung in ihrem Namen.
Das USZ habe diese falschen Abrechnungen sofort gestoppt, versichert die Leitung. Eine Anwaltskanzlei soll das Vorgehen extern untersuchen. «Stichproben quer durch verschiedene andere Kliniken haben gezeigt, dass die Position dort korrekt dokumentiert und abgerechnet wurde.»

Geld geht an die Krankenkassen zurück

Das USZ will die unrechtmässig in Rechnung gestellten Kosten den Krankenkassen vollumfänglich rückerstatten. Dafür hat sie im September 2020 bereits die notwendigen Rückstellungen gebildet. Auch hier hat das USZ eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Die Auszahlungen aus dem Honorarpool der Klinik will sie zurückfordern.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Knall beim Kantonsspital Winterthur

Gleich zwei Schlüsselfiguren verlassen das KSW per Frühling 2024: CEO Hansjörg Lehmann und Chief Nursing Officer (CNO) Susanna Oechslin gehen.

image

Ab morgen gilt das neue Datenschutzgesetz!

Am 1. September 2023 tritt das revidierte Datenschutzgesetz in Kraft. Was dieses für Arztpraxen und Spitäler bedeutet, erklärt der Anwalt und Datenschutzexperte David Vasella im Interview.

image

Die vier Möglichkeiten für eine neue Krankenversicherung

Die Krankenkassen erhöhen ihre Prämien nächstes Jahr vermutlich wieder massiv. Politiker schlagen deshalb neue Versicherungs-Modelle vor.

image

Experte widerspricht dem «Märchen» von den hohen Reserven

«Die Kassen schwimmen im Geld», schrieb der «K-Tipp». Versicherungsfachmann Felix Schneuwly ist anderer Meinung: Die Reserven seien gering.

image

Diese fünf Behandlungen sollten sich Spitäler sparen

Keine vorbeugenden Antibiotika und keine Schlafmittel-Rezepte für zuhause: Das sind zwei von fünf neuen Empfehlungen für Spital-Ärzte.

image

Krankenkassen müssen Medikamenten-Rabatte genauer abrechnen

Der Bundesrat will, dass die Krankenkassen korrekt angeben, wie viel sie tatsächlich für Arzneimittel vergüten.

Vom gleichen Autor

image

Hier drohen die gefährlichsten Fehldiagnosen

Gut zu wissen fürs Vermeiden von Fehlern: Es gibt fünf Erkrankungen, bei welchen falsche Diagnosen besonders schwere Folgen haben.

image

Viele Ärzte wollen 100 Prozent geben – und geben bereits 150

Besonders die guten Mediziner sind davon betroffen: Sie arbeiten sehr gut. Und sind trotzdem immer überzeugt, es sei zu wenig.

image

Das könnte die Schweiz vom deutschen E-Rezept lernen

Deutschland müht sich damit ab, das elektronische Rezept einzuführen – aber bisher machte kaum jemand mit.