Überflüssige Medizin: Noch eine Einspar-Liste

Welche Behandlungen sind sehr häufig, aber zugleich sehr unnütz? Hier die Antworten von 5'000 Ärzten.

, 12. Dezember 2016 um 08:17
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  • gesundheitskosten
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Wir hätten hier wieder ein paar Vorschläge, wo man Überarztung vermeiden und wie man die Patienten schonen könnte. Die Auswahl stammt diesmal von 5'000 Ärzten, die sich von der zuständigen «Task Force» des American College of Physicians befragen liessen.
Jedem dieser Ärzte stellte das ACP-Team eine einfache Frage: Nennen Sie zwei Behandlungen, die in der Inneren Medizin oft angewandt werden, die aber zugleich für die Patienten kaum einen hohen Nutzen bringen («unlikely to provide High Value Care to patients»).
Am häufigsten stellten die Befragten an den Pranger:
  • Antibiotika bei Atemwegs-Infektionen (von 27 Prozent der Ärzte genannt).
  • Aggressive nicht-palliative Behandlungen bei Patienten am Ende des Lebens (9 Prozent).
  • Verschreiben von Opioiden bei chronischen Schmerzen (7 Prozent).
  • Verschreibung von Nahrungsergänzungs-Mitteln, etwa Fischölkapseln oder Multivitamin-Präparaten (5 Prozent).
Die Kosten oder die Effizienz waren in dieser Erhebung kein Thema; es ging ausschliesslich um den therapeutischen Sinn. Laut Amir Qaseem, dem beim ACP zuständigen Studienleiter, zeigt sich hier ein gewisser Hang der Ärzte, lieber etwas falsch zu machen als überhaupt nichts zu tun.

Bereit, Gewohnheiten zu überdenken

«Doch in einer Lage, wo sich das Gesundheitswesen mehr und mehr Effizienz dreht, zeigen diese Aussagen auch, dass die Ärzte bereit sind, ihre eigenen klinischen Gepflogenheiten kritisch zu überdenken», so Qaseem weiter (zur Mitteilung des American College of Physicians).
Natürlich spielen hier auch gewisse spezifische Bedingungen hinein: Der Schmerzmittel-, Morphin- beziehungsweise Opioid-Missbrauch ist in den USA ja zu einem ausgewachsenen gesellschaftlichen Problem geworden, was eine Rolle gespielt haben könnte bei der prominenten Erwähnung. Dennoch: Das Vorgehen des ACP ist doch recht elegant (und transparent), um in der Überarztungs- und Choosing-Wisely-Diskussion effizient eine Auswahl von Therapien zu finden, bei denen sich ansetzen liesse.

Hier 5, da 52

In der Schweiz einigten sich bekanntlich die Hausärzte vor zwei Jahren auf fünf Behandlungen, die es grundsätzlich zu vermeiden gilt; und die SGAIM veröffentlichte unlängst ebenfalls eine «Schwarze Liste» mit fünf überflüssigen Spital-Eingriffen. Weitere ähnliche Vorschläge bei den Spezialisten sollen folgen.
In England lancierte die Academy of Medical Royal Colleges soeben einen ganzen Katalog: Die Oberorganisation der britischen Medizin-Fakultäten hatte Experten von 11 Fachrichtungen versammelt – aber auch Vertreter von Patientenorganisationen –, um sie einen sehr differenzierten Katalog erarbeiten zu lassen: Am Ende wurden insgesamt 52 Untersuchungen und Therapien veröffentlicht, die man sich auch sparen (respektive den Patienten ersparen) könnte.
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