Sterbehilfe: «Wir sind an einer roten Linie»

Der begleitete Suizid einer gesunden Palliativ-Pflegerin in Basel wird weiter debattiert. Bertrand Kiefer von der «Revue Médicale» äusserte sich nun sehr kritisch.

, 6. August 2015 um 10:08
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Ging das zu weit? Der Todeswunsch von Gill Pharaoh gibt nicht nur in ihrem Heimatland zu reden, sondern auch in der Schweiz. Zu Wochenbeginn wurde bekannt, dass die pensionierte Palliativ-Pflegerin, 75 Jahre alt, im Juli in Basel gestorben war – bei einem begleiteten Suizid.
Dabei war Pharaoh gesund, aktiv, keineswegs depressiv und körperlich unabhängig. Sie habe einfach in ihrem Berufsleben genug gesehen, um zu wissen, dass sie nicht alt werden und der Umgebung zur Last fallen wolle.
In der Schweiz äusserte sich nun Betrand Kiefer dazu, der Chefredaktor der «Revue Médicale Suisse». Kiefer ist zum einen Arzt – aber auch studierter Theologe und geweihter Preister. Im «Telejournal» des Fernsehens RTS meinte er, mit dem Fall Pharaoh sei man an eine rote Linie gelangt.
«Die Rolle des Staates oder überhaupt der Gesellschaft ist es, den Menschen zu helfen, die Suizidgedanken haben», meinte Kiefer im Studiogespräch. 
Oft sei der Todeswunsch ja ambivalent. Und die richtige Antwort bestehe nicht darin, diesem Wunsch einfach statttzugeben, sondern ihm auch zu widersprechen.
Sterbehilfeorganisationen wie Exit, Dignitas oder (die von Mrs. Pharaoh benutzte) Lifecircle verlangten eine polypathologische Diagnose, um das Rezept für ein tödliches Mittel auszustellen. Aber hier, so Kiefer, sei man in einem «extrem vagen Bereich». Der Arzt erinnerte daran, dass die Schweiz als einziges Land weltweit die Beihilfe in solchen Fällen erlaubt.

«Ärzte wissen, dass man manchmal handeln muss»

Gewiss befinde man sich wegen vieler medizinischen Fortschritte oft in Situationen, wo eine Lebensverlängerung zweifelhaft sei und sich die Frage nach aktiver Sterbehilfe stelle: «Die Ärzte wissen, dass die Notwendigkeit entstehen kann, dass man in gewissen Fällen handeln muss.» Aber da rede man von terminalen Krankheiten oder schwersten Behinderungen im hohen Alter. In diesem Fall war dies nicht gegeben.
Wir stellten uns die Frage nach dem Sinn des Lebens nicht mehr, so ein Eindruck, den Betrand Kiefer aus dem freiwilligen Tod der britischen Pflegerin zog: Heute werde die Frage nach dem Tod unter dem Gesichtspunkt betrachtet, ob jemand noch nützlich sei. Und dies wohl zu sehr.
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