Die Spitex könnte mehr kontrollieren, dass ihre Klienten nicht unsinnig viele Medikamente zu sich nehmen: So lautet der Vorschlag der Krankenversicherung Helsana.
16 verschiedene Medikamente gleichzeitig
Der Grund für diesen Vorstoss: Der neuste Arzneimittel-Report der Helsana bringt an den Tag, dass viele Spitex-Patientinnen und -Patienten gefährliche Medikamenten-Cocktails einnehmen. Seit 2013 hat der Medikamentenkonsum bei Spitexpatienten um nahezu 50 Prozent zugenommen.
Im Durchschnitt nehmen sie parallel 16 verschiedene Präparate ein. Bei Pflegeheimbewohnern sind es «nur» 9 Präparate. Fachleute beurteilen bereits die Einnahme von gleichzeitig fünf Wirkstoffen als problematisch.
Zu viele Schlafmittel
Dazu kommt: Die Hälfte der Spitex-Patienten nahmen im Jahr 2019 zu lange ungeeignete Medikamente zu sich; vor allem sind das Schlafmittel, unter anderem mit dem Wirkstoff Benzodiazepin.
Eva Blozik, Leiterin der Abteilung Gesundheitswissenschaften bei der Helsana, hält deshalb die «periodische und systematische Überprüfung der verordneten Medikamente für zwingend notwendig». Die Spitex könnte künftig dabei helfen, findet sie.
Kontrolle gehört zum Spitex-Alltag
Der Verband Spitex Schweiz hat dazu eine klare Haltung: «Diese Kontrollfunktion gehört zum Arbeitsalltag einer Spitex-Fachperson», sagt Verbandssprecherin Francesca Heiniger auf Anfrage von Medinside. Bei der Bedarfsabklärung werde die Anzahl verschriebener Medikamente erfasst. «Sind es mehr als neun Medikamente, wird das mit dem Hausarzt besprochen», sagt Francesca Heiniger.
Doch damit hat es sich. «Denn es sind die Ärzte, die Medikamente verschreiben, nicht die Spitex.» Die Spitex-Fachpersonen hätten zudem die Erfahrung gemacht: «Nicht alle Ärzte schätzen es, wenn Pflegefachpersonen ihre Medikamentenverordnungen in Frage stellen.»
Spitex hat den Überblick
Dabei sind es vor allem die Spitex-Fachpersonen, welche den Überblick über die Medikamente haben und dabei auch häufig Missstände sehen: «Es gibt Klienten, die mehrere verschiedene Arzneimittellisten haben: von diversen Ärzten, vom Spital und manchmal auch alte und neue Listen gemischt», sagt Francesca Heiniger.
Wenn die Spitex-Fachperson einen solchen Missstand feststellt, meldet sie das dem Hausarzt mit der Bitte, die Medikation zu überprüfen. Doch eine weitere Einflussmöglichkeit hat sie nicht.
Es bräuchte eine Gesetzesänderung
Zumindest bisher nicht. Francesca Heiniger sagt jedoch: «Grundsätzlich könnte eine ANP (Advanced Practice Nurse) hier mehr Verantwortung übernehmen. Dazu bräuchte es jedoch eine entsprechende Gesetzesänderung.»