Schnittwunde in der Nacht: Ein komplexer Tarmed-Fall

Wie werden die Zuschläge korrekt verrechnet? Wie das Material? Welches Gesetz gilt wann? Der erfahrene Arzt Peter Schudel diskutiert hier einen Tarmed-Fall mit vielen Facetten – als Beispiel für viele.

, 22. März 2017 um 12:05
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Notfalldienst am Sonntag, es ist bald 22 Uhr. Ein Telefonanruf. Die Medizinische Praxisassistentin (MPA) erfährt, dass sich eine etwa 40jährige Frau beim Geschirrspülen an einem zerbrechenden Glas eine stark blutende Schnittwunde am rechten Zeigfinger zugezogen hat. Die MPA bittet die verletzte Patientin, sich umgehend in unsere Praxis bringen zu lassen und die Krankenkassenkarte sowie den Impfausweis mitzubringen.
Kurz nach 22 Uhr trifft die Patientin in der Praxis ein, wird in Empfang genommen und sofort ins Behandlungszimmer geführt. Die MPA informiert mich umgehend, dass eine Notfall-Patientin eingetroffen sei. Ich unterbreche die Untersuchung eines Fieber-Patienten und begebe mich sofort in den Behandlungsraum. 
Webinar: 7 knifflige Tarmed-Fälle aus dem hausärztlichen Alltag
In diesem Webinar diskutiert Dr. Peter Schudel jeweils 7 kniffligen Fälle aus seiner über 30-jährigen Erfahrung als Hausarzt vor. Die Idee: Man kann sich von überall einloggen, eine durchschnittliche Internetverbindung genügt.
Die Tarmed-Webinare richten sich an Hausärzte und MPA. Im Zentrum stehen Fälle aus der allgemein medizinischen hausärztlichen Praxis.

  • Nächste Termine: Montag, 27. März, 18 Uhr | Dienstag, 25. April, 18 Uhr  | Dienstag, 16. Mai, 18 Uhr   |  Alle Termine  |

Dort hat die MPA bereits begonnen, die Personalien der bisher in unserer Praxis nicht bekannten Person aufzunehmen. Ich befrage die Patientin kurz und untersuche die Verletzung. Nach der Feststellung, dass weder eine Sehnen-, Arterien- oder eine Nervenverletzung vorliegt, teile ich ihr mit, dass ich die Wunde in der Praxis mit einer Naht versorgen kann und dazu eine Leitungsanästhesie machen werde.

Leitungs-Anästhesie, Wundversorgung…

Die MPA hat meine Erklärungen mitgekriegt und schon begonnen, den Eingriff vorzubereiten. Ich gehe zurück zum Fieber-Patienten, schliesse die Untersuchung ab und erkläre ihm, wie ich weiter vorgehen wolle. Nachdem er keine Fragen mehr hat, übergebe ich den Patienten an die MPA und setze im Behandlungsraum die Leitungs-Anästhesie.
Zusammen mit der MPA führe ich die Wundversorgung durch. Während die MPA den Wundverband anlegt, bitte ich die Patientin, in den nächsten Tagen die rechte Hand zu schonen und hochzulagern, so oft es geht. Ich instruiere sie, dass beim Nasswerden des Verbandes dieser ersetzt werden soll, wozu sie Material mitkriegen werde. Beim Auftreten von pochenden Schmerzen sei eine umgehende Arztkontrolle wegen des Verdachtes auf eine Wundinfektion angezeigt, wozu sie zu ihrem Hausarzt gehen könne. 
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    Peter Schudel

    Peter Schudel ist Allgemein-Mediziner/Allgemein-Internist FMH. Er führte 27 Jahre lang eine Hausarztpraxis und baute sie zur Mehrärzte-Praxis aus. Noch bevor Schudel, heute 64, das Pensionsalter erreichte, wollte ein Kollege die Praxis übernehmen. Mit der Überlegung, besser mit 62 Jahren einen Nachfolger zu haben als mit 65 Jahren keinen, sagte er zu. Seit letztem Jahr arbeitet er als Freelancer beziehungsweise Praxis-Stellvertreter in Grundversorgerpraxen.

Bei einem regulären Verlauf sei die erste Kontrolle am kommenden Dienstag oder Mittwoch fällig, ebenfalls beim Hausarzt.
Bei erst wenige Jahre zurückliegender Tetanus-Impfung sei keine Auffrischung nötig.

Inklusive Arbeitsunfähigkeitszeugnis

Auf dem Personalienblatt habe ich gesehen, dass die Patientin angegeben hat, Hausfrau zu sein. Sicherheitshalber frage ich nach, ob sie allenfalls teilzeitig irgendwo tätig sei. Ja, sie serviere 1-2 Tage pro Woche in einem Restaurant. Ich teile der Patientin mit, dass sie aus hygienischen Gründen bis zur Fadenentfernung in circa 2 Wochen nicht im Service tätig sein könne und ich ihr ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis ausstelle. Sie solle ihren Vorgesetzten bitten, den Unfall der Unfallversicherung des Betriebes anzumelden.
Nachdem ich der Patientin eine kleine Schachtel Schmerztabletten ausgehändigt und ihr das Medikament erklärt habe, verabschiede ich mich, setze mich an den PC, um den Krankengeschichten-Eintrag zu machen und den Brief für den Hausarzt zu schreiben und anschliessend die Leistungen zu erfassen.

Welche Stolperfallen sind bei der Verrechnung zu beachten?

Konsultation: Wie ist die Konsultation korrekt zu verrechnen?

  • Kurzantwort: Konsultation erste 5 Minuten, eventuell weitere 5 Minuten, Vorbesprechung therapeutischer Eingriff, Lokalanästhesie, Wundversorgung, spezifische Beratung, Konsultation letzte 5 Minuten.

Notfall: Darf ich einen Notfallzuschlag verrechnen? Wenn ja, welchen? Wenn nein, warum nicht?

  • Kurzantwort: Ja, Notfall C.

Hausarztzuschlag: Darf ich den Hausarztzuschlag verrechnen? Was gibt es dabei zu beachten?

  • Kurzantwort: Ja, ich darf, da ich Grundversorger bin und keine Spezialistenleistung erbracht habe.

Lokal-Anästhesie: Wie verrechne ich die Lokal-Anästhesie korrekt?

  • Kurzantwort: In der Tarmed-Position ist das Lokalanästheticum enthalten.

Wundversorgung: Wie ist die Wundversorgung abzurechnen?

  • Kurzantwort: Als Handlungsleistung, der bereits eine Zeit hinterlegt ist.

Verbandmaterial: Kann ich das Verbandmaterial verrechnen?

  • Kurzantwort: Verband- und Verbrauchsmaterial bis zu 3 Franken pro Stück ist in der Konsultation enthalten und darf nicht verrechnet werden.

KVG oder UVG: Wann gilt welches Gesetz?

  • Kurzantwort: UVG, falls ein Arbeitnehmer mindestens 8 Stunden/Woche bei einem Arbeitgeber angestellt ist.

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