Quizfrage: Worum geht es eigentlich bei der Arztvisite?

Eine Beobachtung der Arztvisiten in Schweizer Spitälern zeigt, dass die Ziele und Absichten dabei sehr unterschiedlich sind.

, 16. März 2016 um 15:11
image
  • spital
  • arbeitswelt
Arztvisite ist gleich Arztvisite ist gleich Routine: Dies ist bekanntlich eine gängige Vorstellung. Doch genau besehen ist das keineswegs der Fall: Die äusseren Umstände, die Persönlichkeit der Ärzte oder die Frage, ob man es mit einem Chef- oder Belegarzt-System zu tun hat – all das färbt ab.
Und so zeigt sich: Auch eine Arztvisite kann mehr oder weniger professionell durchgeführt werden.
In einer Erhebung bei sechs Schweizer Spitälern suchten nun die beiden Klinkberatungsfirmen Lenz Beratungen und Muller & Associés nach Punkten und Aspekten, welche wichtig sind für den Erfolg des Arztbesuchs auf der Station.

Case Manager, Ärzte, Pflege

In den befragten Spitälern, so zeigte sich eingangs, findet eine Auseinandersetzung über die Ziele der Visite kaum statt. Die Beteiligten waren sich auch nicht einig über die Bedeutung der Visite.
So gewichten die einzelnen Berufsgruppen die Ziele der Visite unterschiedlich, melden die beteiligten Berater Jörg Gruber und François Muller: 

  • Case Manager messen der Besprechung sozialer Anliegen des Patienten viel Bedeutung zu;
  • die Ärzteschaft sieht die Priorität in der Sichtung von Untersuchungsergebnissen;
  • und der Pflege ist die Beantwortung von Patientenfragen sehr wichtig.

Aber worum geht es wirklich? Die Auseinandersetzung mit dem Zweck der Arztvisite und die Zieldefinition erscheinen den beiden Beobachtern als unabdingbare Voraussetzung eines effizienten Ablaufs.

Note: «befriedigend»

Der Patient müsse während der gesamten Arztvisite im Zentrum stehen – und dies sei in der Realität oft nicht der Fall. «Hat der Patient während der Visite genügend Zeit, Fragen zu stellen?» «Wird der Patient genügend in seine Therapieplanung eingebunden?»: Auf solche Fragen antworteten die Teilnehmer in den untersuchten Spitälern lediglich mit der Note «befriedigend».
«Dieses Ergebnis ist ein Hinweis darauf, dass viele Kliniken noch enorme Anstrengungen unternehmen müssen, um dieses zentrale Qualitätsmerkmal zu erreichen», schreiben Muller und Gruber: «Mit dem Einzug des Patienten 3.0, welcher nicht nur informiert sondern auch in Entscheidungen impliziert sein möchte, gewinnt dieser Faktor zunehmende an Bedeutung in unseren Spitälern.»

Wer gehört eigentlich dazu?

Als weiterer Erfolgsfaktor gilt die klare Rollenverteilung aller Berufsgruppen, so dass lediglich Personen, denen eine Aufgabe zugeteilt wird, an der Visite teilnehmen. Hier ergab die kleine Umfrage, dass oftmals keine klaren Zuständigkeiten bestehen und folglich Personen an der Visite teilnehmen, die schlicht keine Aufgabe während oder im Anschluss daran ausführen.
Bemerkenswert war ferner, dass die Pflegenden in vielen Fällen nicht wussten, wie der Patient nach der Visite zu behandeln ist.

Die E-Patientenakte ist Mangelware

Eine weitere Einsicht der Befragung in den Spitälern war denn auch, dass die Kommunikation zwischen den Teilnehmern ein entscheidender Erfolgsfaktor für eine effiziente Arztvisite darstellt. Dies beziehe sich sowohl auf die tägliche Arbeit (Eintrag der Visite in Therapieplan; direkte Verordnung während der Visite, Information der Station, falls Visite ausfällt) als auch auf die ständige Verbesserung der Visitenabläufe.
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten hielten übrigens fest, dass bei ihrer Visite direkt am Bett keine elektronische Patientenakte einsehbar ist. Visitenbegleitungen zeigten den beobachtenden Beratern denn auch regelmässig ein (gewiss wohlbekanntes) Bild – nämlich eine aufwändige Suche wichtiger Dokumente aus Krankenakten, die sich im Stationsgang in einem Rollwagen befinden und die Visite von Zimmer zu Zimmer begleiteten. 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Todesfall vor geschlossener Notaufnahme: Ermittlungen eingestellt

Im Jahr 2020 verstarb eine Person vor der Notaufnahme des Freiburger Spitals in Tafers, die zu war. Doch selbst bei geöffneter Station hätte das medizinische Team die Patientin nicht retten können.

image

Das ist der neue Chefarzt der Berner Herzchirurgie

Alexander Kadner, langjähriger Kaderarzt der Insel Gruppe, wird neuer Chefarzt an der Berner Universitätsklinik für Herzchirurgie.

image

Solothurner Spitäler müssen neuen CEO suchen

Die Solothurner Spitäler stehen vor der Aufgabe, einen neuen CEO zu finden. Martin Häusermann beabsichtigt, im nächsten Jahr von seinem Amt zurückzutreten.

image

Swiss Medical Network: Eigentümer im Visier der Börsenaufsicht

Die Schweizer Börse hat eine Untersuchung gegen die Beteiligungsgesellschaft Aevis Victoria eröffnet, zu der auch die Privatklinik-Gruppe Swiss Medical Network gehört. Es geht um börsenkursrelevante Tatsachen.

image

«Gewalt findet oft unter dem Radar statt»

Eine Umfrage von Medinside zeigt: verbale und körperliche Gewalt in Schweizer Spitälern nimmt weiter zu, Zahlen werden jedoch kaum erfasst.

image

Saanen plant Luxusklinik mit Hausärzten

Neben dem Nobelkurort Gstaad könnte eine Privatklinik mit Spitzenmedizin für Gutbetuchte entstehen. Samt einer Hausarztpraxis für Einheimische.

Vom gleichen Autor

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.

image

Wer will bei den Helios-Kliniken einsteigen?

Der deutsche Healthcare-Konzern Fresenius sucht offenbar Interessenten für den Privatspital-Riesen Helios.

image

Deutschland: Investment-Firmen schlucken hunderte Arztpraxen

Medizin wird zur Spielwiese für internationale Fonds-Gesellschaften. Ärzte fürchten, dass sie zu Zulieferern degradiert werden.