Presserat rügt reisserische Medienmitteilung des USZ

Der Presserat kritisiert die Schlagzeile, dass 10 Prozent der Covid-19-Patienten in Lebensgefahr schweben. Sie stammt ausgerechnet von einem Universitätsspital.

, 3. März 2021 um 06:24
image
  • universitätsspital zürich
  • spital
  • zürich
  • coronavirus
«Rund 10 Prozent der Covid-19-Patienten erkranken lebensgefährlich und benötigen intensivmedizinische Behandlung»: Dieser Satz scheuchte letzten Sommer die Schweizer Medien und deren Leser auf. Die «Aargauer Zeitung», zum Beispiel, spitzte den Satz in einem Titel sogar zu und veröffentlichte die Schlagzeile: «10 Prozent aller Covid-19-Patienten schweben in Lebensgefahr».

Formulierung kam von der Medienstelle des USZ

Doch nachträglich stellte sich dies Aussage als übertrieben, reisserisch und schlicht unwahr heraus. Dabei stammt der Satz aus einer zweifellos seriösen Quelle: Das Universitätsspital Zürich (USZ) vermeldete, dass «eine neue Studie den Ärztinnen und Ärzten nun wichtige Informationen liefere zum individuellen Risiko und für die Therapie schwer erkrankter Patientinnen und Patienten schon bei deren Aufnahme auf der Intensivstation.»
Das Problem war, dass das USZ in seiner Mitteilung zwei Dinge vermischt hatte – und die meisten Medien das nicht merkten. Sowohl die «Aargauer Zeitung», als auch das «St. Galler Tagblatt», «watson» sowie «Pilatus Today» glaubten, dass die alarmierende 10-Prozent-Quote das Resultat der USZ-Studie war.

Nur Intensivpatienten ausgewertet

Dies war aber ein Irrtum. Die Studie wertete nur den Krankheitsverlauf von Covid-19- Patientinnen und Patienten aus, die bereits ernsthaft krank waren und auf einer Intensivstation behandelt werden mussten.
Es ging also gar nicht darum, wie hoch der Anteil der lebensgefährlich Erkrankten an der Gesamtheit aller bestätigten Fälle ist. Zur Entlastung der Medien, welche die Schlagzeile brav nachbeteten, räumte der Presserat ein, dass bereits die Medienmitteilung des USZ  den falschen Bezug hergestellt hatte.

«Aargauer Zeitung» zweifelte nicht an USZ-Aussage

Die «Aargauer Zeitung» führte denn auch zu ihrer Entlastung an, dass es das «übliche und angemessene Mass journalistischer Sorgfaltspflicht im Berufsalltag übersteigt», an der grundsätzlichen wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit einer Medienmitteilung eines schweizerischen Universitätsspitals zu zweifeln.»
Das leuchtete dem Presserat ein. Und es führte beim Gremium denn auch zu einer sehr ungewöhnlichen Feststellung: Im Normalfall ist es nicht die Aufgabe des Presserats, die Qualität einer Medienmitteilung zu beurteilen, da die Pressestellen nicht journalistisch arbeiten. Trotzdem wagt er es in diesem Fall, Kritik am Universitätsspital zu üben: «Der Presserat kommt in diesem Falle nicht umhin, festzustellen, dass die Medienmitteilung des USZ zumindest ausgesprochen missverständliche Passagen enthielt, welche die Redaktionen auf falsche Fährten führten.»

Zuerst abklären, dann veröffentlichen

Trotzdem wäre es die Aufgabe der Medien gewesen, angesichts der ungenauen Angaben in der Mitteilung zu hinterfragen: Wer ist mit «Covid-Patienten» gemeint? «Das muss in einer solchen Lage geklärt werden, bevor man publiziert», fand der Presserat. Bei schlechten Prognosen für Covid-Patienten gehe es nicht um ein übliches Thema. Es müsse deshalb kritisch angegangen werden.
Schliesslich rügte das Gremium die Medien «watson.ch», die CH-Media-Titel «Aargauer Zeitung», «St. Galler Tagblatt» sowie die Online-Seite «Pilatus Today». Sie haben die Behauptungen der USZ-Medienmitteilung unnachgefragt übernommen. Ohne Rüge weg kamen die «NZZ am Sonntag» und «higgs.ch». Diese beiden Medien haben beim USZ kritisch nachgefragt, ob die Zahl stimme.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

LabPOCT: Ein Werkzeug für all Ihre Laborgeräte

Mit dem System LabPOCT bietet Sonic Suisse ein Cockpit, mit dem Sie sämtliche Analysen verwalten können – sowohl das eigene Praxislabor als auch das externe Sonic Suisse-Labor.

image

KSBL: Zwei Spitäler? Oder ein neues? Der Entscheid fällt 2026.

Die Regierung von Baselland präsentiert ein Rahmenprogramm für die Gesundheits-Versorgung. Sie prüft dabei auch ein Darlehen, damit das Kantonsspital über die nächsten Jahre kommt.

image

Die IS-H-Alternative bereits im Hause

Universitätsklinikum Köln deckt Prozesse von der Aufnahme bis zur Abrechnung in ORBIS ab.

image

CHUV: Claire Charmet folgt auf Nicolas Demartines

Nach einem langen Verfahren holt das Waadtländer Kantons- und Unispital seine neue Generaldirektorin vom Neuenburger Kantonsspital RHNe.

image

KSA: Erster sondenloser Zweikammer-Herzschrittmacher implantiert

Innovation in der Kardiologie: Am Kantonsspital Aarau wurde der erste sondenlose Zweikammer-Herzschrittmacher implantiert.

image

Im Emmental entsteht ein neues Gesundheitsnetz

Hinter dem Zusammenschluss stehen das Spital Emmental, Spitex- und Langzeitpflege-Institutionen.

Vom gleichen Autor

image

Temporär-Arbeit in der Pflege: Ein Angebot mit Haken

Es gibt gute Gründe für Pflegefachleute, sich nur noch temporär anstellen zu lassen. Aber es gibt auch ein paar gute Argumente dagegen.

image

Medikamente: Diese fünf Irrtümer müssen alle kennen

Epinephrin statt Ephedrin? Solche Verwechslungen können tödliche Folgen haben. Gut zu wissen, wo die grössten Gefahren lauern.

image

SVAR: Neu kann der Rettungsdienst innert zwei Minuten ausrücken

Vom neuen Standort in Hundwil ist das Appenzeller Rettungsteam fünf Prozent schneller vor Ort als früher von Herisau.